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Nordwärts auf dem Alaska Highway

Monoton − Den Sonntag Morgen beginnt sportlich. Wir üben uns im Horseshoe shooting (Hufeisen werfen). Ziel ist es, das Hufeisen aus gut 15 - 20 m Distanz möglichst nahe an eine im Boden verankerte Eisenstange zu werfen. Spass ist garantiert und darum treten wir die Reise ins 250 Meilen (400 km) entfernte Fort Nelson etwas verspätet an.

Spätestens auf dieser Strecke werden uns die grossen Distanzen des Norden bewusst. Stundenlang fahren wir auf dem Alaska Highway und sehen links und rechts der Strasse nur Bäume. Etwa alle 100 km kommt eine Tankstelle und dass war’s dann auch schon wieder für die nächste Stunde. Wie unendlich lang muss der Weg nach Alaskaden Reisenden früher vorgekommen sein, als die Strasse noch nicht asphaltiert war. Damals ging es oft nur langsam und mühsam voran und nicht selten blieb man im Schlamm stecken.

 

Chinesisches Tempo − Der 1’422 Meilen (2’288 km) lange Alaska Highway von Dawson Creek nach Delta Junction wurde 1942, also während des 2. Weltkriegs, in Rekordzeit gebaut. Mit Hilfe von rund 11’000 Soldaten, 16’000 Zivilisten und über 7’000 Maschinen wurde die Strasse in weniger als 9 Monaten fertiggestellt! Die Bedingungen für die Arbeiter waren äusserst hart aber die Zeit drängte. Nach der Bombardierung von Pearl Harbor und der Besetzung einiger Aleuten Inseln durch Japan musste schnellstmöglichst eine Versorgungsstrasse nach Alaska her.

Später wurde der Alaska Highway im Auftrag der US-Regierung durch Privatfirmen ausgebessert, begradigt und mit solideren Brücken versehen. 1946 wurde der kanadische Teil des Alcan an Canada übergeben. Heute ist der ganze Alaska Highway asphaltiert und gut befahrbar.

Auch Fort Nelson, unser heutiges Etappenziel, verdankt seinen Ursprung dem Pelzhandel. Heutzutage lebt es wie St. John vor allem von der Ölindustrie und der Holzwirtschaft. Langsam gewinnt aber auch der Tourismus an Bedeutung.

 

Mückenalarm − Nach dem Besuch des Visitor Centers parkieren wir vor einem Einkaufsgeschäft, wo wir zwei Picknicktische entdeckt haben, die geradezu zum Nachtessen einladen. Praktisch sind auch die Steckdosen, die bei einigen Parkplätzen angebracht sind. Sie dienen in den kalten Wintern dazu die Batteriespannung des Autos zu halten und den Motor und das Öl zu wärmen. Unter uns wird eine der Steckdose zweckentfremdet und dazu genutzt das Notebook aufzuladen und ein paar Zeilen darauf zu tippen. Schliesslich zwingen uns die immer zahlreicher werdenden Mücken aber zum Aufbruch. Auf einem öffentlichen Parkplatz in der Nähe finden wir einen guten Standplatz für die Nacht. Wir starten nochmals kurz den PC, um den angefangenen Text abzuschliessen. Dann ist Feierabend. Guet Nacht!

 

Neue Energie − Wir haben festgestellt, dass die 2. Batterie unseres Land Rover relativ schnell nachgeladen werden muss. Ein Test vor ein paar Tagen hat ergeben, dass die Spannung zwar noch gut ist, aber die Lebensdauer der Batterie sich dem Ende zuneigt. Alle elektrischen Geräte (Beleuchtung, Radio etc.) sind an diese Batterieangehängt. Zudem dient sie uns als Backup, falls unsere Hauptbatterie aussteigen sollte. Wir entscheiden uns deshalb, hier in Fort Nelson eine neue 2. Batterie einbauen zu lassen. Danach sind wir dann hoffentlich endgültig gerüstet für den Norden!

Während Nanuq wiedereinmal in «Behandlung» ist, erledigen wir unsere Post. Wir geben für Dawn und Malcolm ein Päckchen mit einem Dankesgruss auf. Das Poststellennetz und der Service in Canada ist sehr gut. Die Öffnungszeiten sind auch in abgelegenen Orten meist besser als in der Schweiz. Oft ist die Poststelle in einem anderen Lokal, z.B. einem Restaurant oder einer Tankstelle integriert. Besonders einfach fällt es, wenn man das Postgeschäft gleich in Deutsch erledigen kann. Die Schalterangestellte spricht fliessend Deutsch, da ihre Eltern ausgewanderte Sudeten sind.

 

Muncho Lake − Die 300 Meilen von Fort Nelson nach Watson Lake gehören zum schönsten Teil des Alaska Highways. Die Eintönigkeit der geraden Strasse vom Vortag wird abgelöst durch Kurven, Hügel, Flüsse, Seen und Berge. Ausserdem ist hier die Chance Tiere zu sichten, grösser als anderswo. Wir haben gar gelesen, dass man hier von der Serengeti des Nordens spricht. Unsere «Ausbeute» bestätig diese Aussage. Wir sehen Rehe, ein Karibu, Stone Sheep und einen Schwarzbär. Besonders gut gefällt uns aber die Landschaft. Vorbei am Summit Lake (höchster Punkt des Alaska Highways) und dem Stone Mountain Provincial Park führt uns die Fahrt bis an den wunderschönen Muncho Lake. Was heute unsere Augen erfreut, war für die Erbauer des Alaska Highways eine Herausforderung. Die Strasse musste über grosse Strecken mühsam dem Berg abgetrotzt werden, da der See das ganze Tal bedeckt. Die Farbe des blau-grünen Wassers ergibt sich aus Kupfer Oxiden im See. Wir reservieren einen der noch wenigen freien Campsites bevor wir noch einen kleinen Abendausflug unternehmen. Eine kurze Wanderung führt uns zu den Mineral Licks, wo man oft Tiere beim Ablecken der Felsen beobachten kann. Auf diese Weise kommen die «Schleckmäuler» zu lebenswichtigen Mineralien. Bei unserem Besuch sind zwar keine Tiere dort, die Aussicht ist den geringen Effort aber allemal wert. Zurück auf dem Campground, kochen wir Teigwaren mit Spinat und geniessen die grandiose Abendstimmung direkt am See.

Etwas weniger romantisch ist der Gang aufs Plumpsklo. Aber wenn wir eine ruhige Nacht verbringen wollen, ist dieser wohl unumgänglich.

 

Grüne Oase − Mehrere Leute, denen wir unterwegs begegnet sind, haben uns auf die Liard Hot Springs aufmerksam gemacht. Diese natürlichen heissen Quellen gehören zum Pflichtprogramm entlang des Alaska Highways. Als wir am nächsten Morgen dort eintreffen, ist der Parkplatz bereits gut besetzt. Im Reiseführer haben wir gelesen, dass es zwei Pools gibt. Der Alpha Pool ist bis zu 52° C und der Beta Pool rund 42° C heiss. Dies ist für unseren Geschmack genug heiss und wir hüpfen darum in den «kühleren» Beta Pool. Sehr lange hält man esaber auch hier nicht aus. Bereits nach 15 Minuten fühlen wir uns beim Verlassen der heissen Quelle etwas schwach auf den Beinen.

Das warme Wasser der Pools hat einen positiven Einfluss auf die umliegende Landschaft. Saftig grüne Gräser und Farne zieren den Boden entlang der Holzstege, die durch den Wald führen. Angeblich sollen hier sogar 14 verschiedene Orchideenarten blühen. Dafür sind wir aber wohl etwas zu früh (Ende Mai) hier.

 

Haus auf 4 Rädern − Nach dem kurzen Bad schreiben wir auf einem Picknicktisch beim Parkplatz der Hotsprings an unseren Reiseberichten weiter. Wir werden aber immer wieder durch Leute abgelenkt, die unser komisches Gefährt (Nanuq) mit dem noch seltsameren Nummernschild mustern. Während sich diese Leute wohl fragen, wie wir in einem so kleinen Wagen schlafen und reisen können, fragen wir uns, wieso sie solch riesige RV’s brauchen. Zwei dieser gigantischen «fahrenden Einfamilienhäuser» brauchen mitsamt ihren angehängten PW’s gleich 12 Parkplätze! Wir haben uns sagen lassen, dass einige dieser Motorhomes über $ 500’000 kosten... an die Benzinkosten wollen wir in diesem Moment gar nicht denken.

 

Wildlife zur Krönung − Langsam ziehen Wolken auf und wir entscheiden uns, Richtung Watson Lake aufzubrechen. In der Hoffnung unterwegs ein paar Tiere zu sehen, haben wir mit der Weiterfahrt bewusst bis zum späten Nachmittag gewartet. Tiere sind ja bekanntlich in den Dämmerstunden am aktivsten. Und tatsächlich entdecken wir einen grossen Schwarzbären, der sich sofort in eine Sickerwasserröhre flüchtet, die unter der Strasse durchführt. Wir halten am Strassenrand an und warten darauf, bis er wieder rauskommt. Aber denkste. Der schlaue Kerl lässt sich ganz schön viel Zeit und versucht uns gar auszutricksen. Den nach etwa einer halben Stunde taucht der Bär auf der anderen Strassenseite auf. Unglaublich wie sich dieses grosse Tier durch die enge, ansteigende und sicher 30 m lange Röhre durchgekämpft hat. Leider verschwindet er kurz darauf im Dickicht.

Wieder unterwegs sieht Lulu bereits das nächste Tier. Diesmal handelt es sich um einen Fuchs, welcher deutlich weniger Angst vor uns hat als der Bär. Mehrere Meter läuft er locker der Strasse entlang und posiert dann regelrecht für ein gutes Foto.

Wir sind ganz begeistert ob dieser Tierwelt und plaudern angeregt, als plötzlich ein Hase auf die Strasse hopst, kurz stehen bleibt und dann einen Bogen schlägt... Markus tritt mit voller Kraft auf die Bremse und reisst das Steuer rum... Wow, das war knapp. Im Seitenspiegel sieht Markus den kleinen Hasen unversehrt davon hoppeln.

Als wir am Abend in Watson Lake (Yukon) ankommen, ist schon alles geschlossen. Wir tanken, nutzen die Toilletten und parkieren vor dem Recreation Center für die Nacht.