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Sommerbeginn in Whitehorse

See you soon − Um unseren Traum von Canaska zu verwirklichen müssen wir weiter. Trotzdem fällt es uns schwer, Teslin zu verlassen. Kommt dazu, dass uns Doug und Birgit am liebsten den ganzen Sommer überhier behalten möchten und darum immer wieder alle Möglichkeiten aufzählen, die sich uns vom «Basislager» Teslin aus erschliessen würden. Sie verstehen aber auch unseren Drang weiterzuziehen. Es warten andere Orte und Leute darauf von uns entdeckt zu werden. So brechen wir am 20. Juni zu einem neuen Abschnitt unserer Reise auf.

Zum Abschied laden wir Doug und die zwei kleinsten Kit und Aiyana zu einem Frühstück im Motel ein. Birgit muss leider arbeiten und die beiden älteren Jungs tummeln sich sonst wo umher.

 

On the road again − Während der 180 km langen Fahrt nach Whitehorse ist es sehr still in unserem Cockpit. Wir müssen uns aufs Neue daran gewöhnen wieder auf der Strasse zu sein. In Gedanken lassen wir die letzten drei Wochen Revue passieren. Wir wissen es schon jetzt... wir werden im September zurückkommen.

 

Aus vergangen Tagen − Whitehorse wurde nachStromschnellen benannt, die der wehenden Mähne eines weissen Pferdes ähnlich sahen. Auf dem Wegzu den Goldadern des Klondike mussten die Abenteurer Ende des 19. Jahrhunderts den Miles Canyon und die White Horse Rapids südlich der heutigen Stadt bezwingen. Die Stromschnellen galt als die grösste Gefahr des Trails und forderte mehrere Menschenleben. Jene, die die Stromschnellen überlebten, verloren oft einen Teil ihres Hab und Guts in den Fluten. Schliesslich erlaubte die North West Mounted Police die Befahrung der Rapids nur noch für Boote/Flosse mit erfahrenem Bootsführern. Einer der als «Fährmann» sein Geld verdiente war Jack London, der später als Autor diverser Bücher über den hohen Norden und den Goldrausch bekannt wurde.

Der Unternehmer Norman Maccaulay hatte eine andere Geschäftsidee, um aus der Situation Geld zu machen. Er baute eine Schiene, die am Flussufer entlangführte. Auf Wagen, die von Pferden gezogen wurden, konnte er nun gegen ein entsprechendes Entgeld die Güter der Goldsucher bequem am Hindernis vorbeiführen. Am Ostufer des Flusses entstand um diese Zeit die Zeltstadt Canyon City. Ein Gästehaus und ein Saloonboten den zehntausenden von Stampedern, die auf dem Weg zum Klondikehier vorbei kamen, Unterkunft, Unterhaltung und Erfrischungsmöglichkeiten.

Als 1900 die White Pass Railroad fertig war, die Eisenbahn, die Skagway an der pazifischen Küste mit dem Yukon verband und eine enorme Erleichterung für die Reisenden darstellte, entwickelte sich das Lager zu einem immer grösseren Ort und Umschlagsplatz. Whitehorse war geboren. Hinter den Stromschnellen konnten dieReisenden in Raddampfer umsteigen. Von hier an war der Yukon River bis nach Dawson City auch für die grossen Schiffe befahrbar. In Dawson City, wo der Yukon und Klondike River zusammenfliessen, waren die Goldsucher endlich am Ziel... wenn auch die meisten von Ihnen den Traum auf schnellen Reichtum früher oder später begraben mussten.

Heute sieht man von den einst schäumenden White Horse Rapids nichts mehr. Der Bau eines Staumdammes im Jahe 1958 zähmte den Miles Canyon und die Strommschnellen gingen im daraus entstandenen Schwatka Lake unter. 

 

Poscht is da! Sie händ Pooscht! − Als wir in Whitehorse ankommen istunsere volle Aufmerksamkeit gefragt, in der Hauptstadt des Yukon herrscht definitiv mehr Verkehr als im beschaulichen Teslin. Als erstes wollen wir das schon längst überfällige Paket mit der reparierten Casio Fotokameraabholen. Wir haben von Teslin aus zwei mal eine Nachricht nach Whitehorse gesandt, damit sie das Paket bitte bis zu unserer Ankunft aufbewahren und nicht wie üblich nach zwei Wochen zurück an den Absender schicken. Nach längerer Suche (Whitehorse hat mehr als eine Poststelle) treten wir kurz vor Feierabend in den Schalterraum. Das Päckchen ist zum Glück noch da, die Kamera drin und zu funktioneren scheint sie auch.

Nach dem Besuch im Visitor Center laufen wir ein Stück weit der Main Street entlang. Die Geschäfte sind bereits geschlossen und es herrscht tote Hose. Da bleibt nur der gute alte Wal Mart, auf welchen wir schliesslich lange verzichten mussten.;-) Uns trifft jedoch fast der Schlag, als wir auf den Parkplatz einfahren. Das man bei Wal Mar über Nacht parkieren darf ist ja bekannt. Nur waren wir bis anhin meistens die Einzigen, die davon profitiert haben. Hier jedoch sieht es aus, wie auf einem offiziellen Campground. Dutzende von Campern mit teils riesigen Motorhomes haben den Platz beschlagnahmt. Dank Nanuq’s vernünftiger Grösse ist es zum Glück kein Problem, ein freies Plätzchen zu finden. Unsere «Nachbarn» kommen ebenfalls aus der Schweiz. Sie stammen aus der Westschweiz und sind seit zwei Jahren mit ihren beiden Kindern in der ganzen Welt unterwegs.

 

Zum ersten − 21. Juni, Sommerbeginn und längster Tag des Jahres. Durch eine junge Frau aus Teslin wissen wir, dass heute im Rotary Peace Park ein Aboriginal Day stattfindet, an dem die Ureinwohner des Yukonseinen Potlatch veranstalten. Mit Musik, Ausstellungen, Tänzen und anderen Aktivitäten wird der Sommerbeginn gefeiert. Es ist ausserdem eine gute Gelgenheit um den Weissen die Kultur- und Bräuche der Indianernäher zu bringen. Wir kommen uns vor wie Einheimische, als wir im Eingangsbereich des Festgeländes bereits auf bekannte Gesichter stossen. Kerry und Steve aus der Teslin Trading Post sind ebenfalls für einen Tag in Whitehorse. Sie sind erstaunt, als sie erfahren, dass wir (zumindest im Moment) nicht nach Teslin zurückkehren werden. Es gab ja auch schon andere Leute, die den ganzen Sommer über bei den Martens geblieben sind.

Wir schauen uns auf dem Festgelände um und studieren das Programm.Lulu’s Begeisterung ist gross, als sie entdeckt, dass am Nachmittag Jerry Alfred ein kurzes Konzert gibt. Wir stellen darum kurzerhand unseren Tagesablauf um. Zuerst besichtigen wir die S.S. Klondike II, danach erledigen wir die Einkäufe und am Nachmittag kommen wir dann nochmals hierhin zurück.

Die S.S. Klondike II ist ein Raddampfer, der von 1937 bis 1952 auf dem Yukon River zwischen Whitehorse und der Minenstadt Dawson City zum Transport von Waren und Personen eingesetzt wurde. Wie bei seinen Vorgängern waren nebst Goldsuchern, deren Familien und der Post vor allem Lebensmittel und Alkohol mit an Bord. Auf dem Rückweg bestand die Fracht hauptsächlich aus Gold und Silber aus den Minen im Norden. Die Fahrtflussaufwährts daurte einiges länger und verbrauchte deutlich mehr Holz für den Betrieb des Dampfofens. Vielleicht ist dies eine Erklärung dafür, dass die Rückfahrt teurer war und es sich demzufolge nur die erfolgreichen Goldsucher leisten konnten.

Die Arbeit und die Bedingungen an Bord des Schiffes war für die Crewsehr hart. Die Arbeiterkonnten sich ein frühzeitiges Aussteigen aber nicht leisten, da sie sonst der Betreiberin der S.S. Klondike II die ganzen Anreisekosten aus dem Süden der USA hätten zurückerstatten müssen. Heute ist das Relikt aus der Goldrauschzeit, die S.S. Klondike II, eine National Historic Site.

Nach dieser Geschichtslektion fahren wir zum Superstore, einem riesigen Lebensmittelladen. Wir vergessen die Zeit und merken zu spät, dass wir uns sputen müssen, um noch rechtzeitig an Jerry Alfred’s Konzert zu gelangen. Also, schnell zur Kasse und... dann geht überhaupt nichts mehr. Wir stehen in einer langen Schlange und Lulu tritt ungeduldig von einem Bein aufs andere. Kurzerhand «parkieren» wir unseren Einkaufswagen zwischen zwei Gestellen, wo wir ihn nach dem Konzert abholen wollen.

 

Zum zweiten − So rasch als möglich fahren wirzum Rotary Peace Park zurück. Wir schaffen es rechtzeitig ins Festzelt. Das nur rund 25 minütige Konzert beginnt nämlich mit einer kleinen Verzögerung. Lulu’s Versuch, den einzahnigen Jerry Alfred nach dem Konzert bezüglich CD Verkauf anzusprechen, scheiternan dessen Schwerhörigkeit.

Als wireine Stunde später zum Superstore zurückkehren, treffen wir auf dem Parkplatz Didi und Astrid, zwei Weltenbummler aus Deutschland, an. Sie sind vor fast zwei Jahren mit ihrem Toyota Land Cruiser in Südamerika aufgebrochen und sind jetzt auf dem Weg zum nördlichsten Punkt in Alaska. Wir erfahren so einiges über ihre Reise. Didi erzählt gerne und viel. Sie bewundern aber auch unseren Land Rover, obwohl dieser im Vergleich zu ihrem Toyota nur mickrig ausgerüstet ist. Didi's Schlussbemerkung: «Ihr Schweizer seid ein verrücktes Volk.»

Natürlich ist in der Zwischenzeit unser Einkaufswagen verschwunden. Da wir nun aber genau wissen, was wir wollen und wo wir dies finden, sind wir im zweiten Durchgang um einiges schneller. Das ist auch gut so, denn viel Zeit haben wir auch diesmal nicht. Für das Elchchili und die Abschlussveranstaltung wollen wir zurück beim Potlatch sein. :-)

 

Zum Dritten − Das Chili istschmeckt hervorragend und wir lehnen daher nicht ab, als man uns am Schluss von den Resten vier Portionen für den nächsten Tag mit auf den Weg gibt. Den Touristen aus der Schweiz schenkt man ausserdem ein Poloshirt undzwei Orangen. Und am Morgen haben wir bereits einen kleinen Snacksack (Apfel, Chips, Getränk) erhalten. Diese Grosszügigkeit ist beeindruckend und gehört, wie wir später lesen, zu den Bräuchen eines Potlatch. Leider findet die grosse Abschlusszeremonie nicht statt. Wahrscheinlich würde der starke Regen den traditionellen Gewändern und Instrumenten schaden.

 

Nachbarn − Am Abend wollen wirdie bekannte Fischleiter beim Staudamm besuchen. Für deren Zugang sind wir zu spät, für den Lachszug aber wahrscheinlich eh zu früh.

Wir kehren deshalb zum Wal Mart Parkplatz zurück, wo sich uns das selbe Bild bietet wie am Vorabend. Camper, Camper, Camper… Die Situation hat aber auch positive Seiten. Wie in einem Wohnquartier stellt man sich seinen Campnachbarn vor und kommt mit ihnen ins Gespräch. Ein Rettnerpaar aus Tennesseeerzählt uns von ihrem Pech mit dem Auto und schenkt uns ein paar Trauben. Kurz darauf hält links von uns ein Iveco Camper mit deutschen Kennzeichen. Wir werden mit den Worten: «Fast hätten wir euer Auto aufs Schiff gefahren!» begrüsst. Christa und Walter liessen ihr Fahrzeug gleichzeitig wie wir unseren Nanuq mit Seabridge verschiffen. In der Zwischenzeit sind sie von Halifax im Westen Canadas nach Whitehorse gefahren. Das beweist einmal mehr wie kleindie Welt ist. Wir tauschen Erlebnisse, Erfahrungen und Pläne aus. Später gesellt sich auch Adam, ein begeisterter Mountainbiker, zu uns. Er ist mit seinen Grosseltern unterwegs und geniesst es sehr neue Leute und Landschaften kennenzulernen. Zuhause hat Adam ebenfalls einen Geländewagen und er lädt uns ein, ihn auf dem Rückweg in Colorado für eine Ausfahrt zu besuchen.

Leider wird die Sonne am längsten Tag des Jahres von Wolken verdeckt. Trotzdem ist eserstaunlich, wie hell es im Norden auch zu später Stunde noch ist. Sobald wir die Augen schliessen, können wir aber trotz Helligkeit ohne Probleme einschlafen.