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Boleh?! − no 03 / Aug 2010

Unterricht auf malaysisch

Drill − Werden in unseren Schulen heute selbständiges Arbeiten und Denken gefördert, setzt man in Malaysia scheinbar nach wie vor auf Drill und auswendig lernen. Noorita, unsere Lehrerin, sagt uns zum Beispiel ein neues Wort vor, das wir dann mehrmals und alle im Chor wiederholen müssen. X-mal zählen wir alle zusammen von 1 bis 100 oder skandieren «Malaysia boleh» (s. Boleh?! − no. 1). Am Anfang der Stunde werden wir nacheinander an die Wandtafel gerufen, wo sich jeder einzeln vor versammelter Klasse in auswendig gelernten Sätzen vorstellen muss. «Nama saya Carole. Saya berumur dua puluh sembilan tahun. Saya berasal dari Switzerland. Saya tinggal di KL Sentral. Saya masih bujang. Saya seorang pereka grafik. Saya belajar Bahasa Malaysia. Nama guru saya ialah cik Noorita.» (Mein Name ist Carole. Ich bin 29 Jahre alt. Ich komme aus der Schweiz. Ich wohne in KL Sentral. Ich bin immer noch ledig. Ich bin Grafikerin. Ich lerne malaysisch. Meine Lehrerin heisst Noorita.) Das Ganze wiederholt sich entsprechend der Anzahl Studenten mit jeweils anderen Namen, Berufen und Herkünften insgesamt 8x. Nicht gerade das, was wir unter einem interessanten und abwechslungsreichen Unterricht verstehen.

Für Auflockerungen sorgen Spiele à la «Montagsmaler» oder das Singen von einem Lagu (Lied). Wobei ersteres in unserer Klasse viel beliebter ist als die zweite Variante. Den Song, den sich Noorita für uns ausgesucht hat, heisst «Kantoi» (erwischt) und ist in bahasa rojak (gemischte Sprache > malaysisch & englisch) gesungen. Dieses sogenannte Manglish hört man im malaysischen Alltag oft. Wer sich nun wundert wie das tönt, kann sich den Song von Zee Avi auf Youtube anhören (Kantoi − Zee Avi).

 

Und da waren’s nur noch zwei − Gerne veranstaltet Noorita auch kleine Tests und Wettbewerbe. Dazu gibt sie uns 5 Minuten Zeit, um sich eine Liste mit neuen Wörtern und Sätzen einzuprägen, die danach abgefragt werden. Vertauscht man in einem mehrzeiligen Satz auch nur zwei Buchstaben, gibt es dafür keine Punkte. Das Resultat der einzelnen Studenten wird gross an die Wandtafel geschrieben und vorgelesen. Der Klassenbeste wird gelobt, der schlechteste Schüler getadelt («du musst unbedingt mehr lernen!»). Einige Studenten können dieser Unterrichtsmethode wenig abgewinnen. Nach und nach wird die Klasse kleiner. Am letzten Schultag sitzen wir nur noch zu zweit im Klassenzimmer und nehmen in einer Minizeremonie unsere Diplome in Empfang. Obwohl auch ich die Lehrmethode als konservativ und nicht altersgerecht einstufe, habe ich in den vergangenen Lektionen einiges gelernt und finde es deshalb schade, dass der Kurs mangels Studenten nicht weitergeführt wird. Ich denke, dass der Lernerfolg viel mit der persönlichen Einstellung zu tun hat. Gelingt es einem die lokalen Unterrichtsmethoden unter dem Motto «andere Länder, andere Sitten» anzunehmen und die Tests und Ermahnungen nicht tierisch ernst zu nehmen, ist es durchaus eine interessante und lustige Erfahrung.