de | en

Magic or mad Malcolm?!

Land Rover Heaven − Nanuq fährt wie am Schnürchen Richtung Edmonton. Vielleicht freut er sich darauf wieder einmal ein paar Artgenossen zu treffen. Am Telefon hat Malcolm nämlich erwähnt, dass er einige Land Rover besitzt. Entsprechend einfach ist es sein Haus zu finden. Malcolm hat extra einen Serie I Land Rover am Strassenrand abgestellt, damit wir die Einfahrt zu seinem Gelände nicht verpassen. Begrüsst werden wir allerdings nicht von Malcolm selbst, sondern von dessen Frau Dawn, Hund Buddy und Kater Jerry. Malcolm ist unterwegs, um Heu zu holen. Die beiden betreiben eine kleine Farm und Malcolm betätigt sich nebenbei auch als Auto- und Traktormechaniker.

Dies und anderes erzählt uns Dawn als wir Apfelsaft schlürfend an einem gemütlichen Tisch vor dem Haus sitzen. Dawn stammt aus Neuseeland. Dort hat sie Malcolm vor fünf Jahren kennen gelernt, als dieser auf einer Motorradrundreise war. Vor vier Jahren haben die beiden geheiratet und Dawn ist nach Kanada gezogen.

Nach etwa einer Stunde ist Malcolm zurück und gesellt sich zu uns. Wir stellen uns vor und erzählen ihm ein wenig über unsere Reise. Danach übernimmt Malcolm das Zepter des Gesprächs. Er redet viel und gern... wir merken schnell, das ist Malcolm live :-)

 

Unter dem Messer − Aber eigentlich sind wir ja nicht zu einem Kaffeekranz vorbei gekommen, sondern wegen der Schaltprobleme von Nanuq. Die beiden Herren der Runde begeben sich darum auf eine Probefahrt. Um dem Problem weiter auf den Grund zu gehen, wirft Malcolm anschliessend einen Blick unter die Motorhaube. Leider sind einige Teile der Kupplungshydraulik fast unzugänglich, ohne dass man den halben Motor ausbaut. Wir entschliessen uns deshalb zu einem kleinen chirurgischen Schnitt in die Carosserie. Mit scharfem Blick und geschulter Hand prüft Malcolm die relevanten Teile. Kupplung selbst und der Master sind okay aber der Slave und ein Verbindungsschlauch scheinen nicht mehr ganz dicht zu sein. Dies könnte der Grund für die vermutete Luftblase in der Kupplungshydraulik sein. Malcolm geht auf die Suche nach den passenden Ersatzteilen und zeigt Markus dabei nicht ohne Stolz sein riesiges Lager. Leider fehlen aber genau jene Teile, die wir benötigen. So kann Malcolm zwar einen Master- aber keinen Slave-Zylinder anbieten. Wir werden nicht um einen Besuch in St. Albert herumkommen. Mark von Wise Owl hat Malcolm netterweise angeboten, dass wir auch am Samstag vorbeikommen können.

Während sich die Herren ums Auto kümmern, zeigt Dawn Lulu die Farm. Welch ein Unterschied zu den grossen Milchfarmen, die wir in Idaho gesehen haben. Auf dem grossen Gelände sind nur wenig mehr als 20 Kühe am grasen. Alle können sich frei bewegen und die Jungtiere bleiben lange bei ihren Müttern. Die Kühe erhalten hier sogar einen Namen und nicht bloss eine Nummer. Damit Dawn und Malcolm nachvollziehen können, welche Kuh von welcher abstammt, erhalten die Kälbchen einen Namen aus demselben Themenbereich wie ihre Mutter. So gibt es z.B. den Schokoladenclan, bei dem die Kühe immer nach einer Schokoladenmarke (z.B. Hershey) benannt werden. Echt süss finden wir, dass ein Kälbchen aus dieser Dynastie, welches kurz nach unserer Abreise zur Welt kam, nach Markus benannt wurde. Schliesslich arbeitete Markus vor der Reise für einen Schokoladenhersteller und qualifiziert sich darum bestens als Taufpate.

Man merkt es sofort, Dawn liebt die Tiere. Jeden Abend macht sie einen Rundgang über das Gelände und zählt sie. Fehlt eines der Kälbchen wir sie unruhig und macht sich sofort auf die Suche. Ihr fällt es auch schwer loszulassen, wenn die Tiere gross genug sind und zum Schlachthof gefahren werden (die Tiere werden nicht als Milchkühe gehalten). Immerhin können sie bis dahin bei Dawn und Malcolm ein würdiges und stressfreies Leben verbringen.

Seit BSE-Fälle in Canada aufgetaucht sind und daraufhin die Grenze zum amerikanischen Fleischmarkt geschlossen wurde, rentiert das Geschäft nicht mehr. Während der Bauer früher noch $ 1200 pro Kuh bekam, sind es heute bloss $ 200! Dies erklärt auch die extrem tiefen Fleischpreise in den kanadischen Supermärkten.

Nach dem gemeinsamen Rundgang mit Dawn begibt sich Lulu alleine auf eine kleine Fototour. Die vielen alten, zum Teil zugewachsenen Autos, Ersatzteile und sonstigen Gegenstände bieten interessante Motive.

 

Gemütlich − Dawn und Malcolm laden uns zum Nachtessen ein. Es gibt ein ausgezeichnetes, vegetarisches Chili. Obwohl die beiden eine Fleischfarm betreiben, sind die beiden Vegetarier. Wir staunen während unserem Aufenthalt auf ihrer Farm nicht zum letzten Mal über die leckeren Gerichte, die Dawn’s vegetarischer Küche entspringen.

Unser Tischgespräch dreht sich um Autos (davon Land Rover im Speziellen), Motorräder (Malcolm ist ein grosser Fan englischer Autos und Motoräder), Reisen, Gott und die Welt sowie Malcolm’s Lieblingsthema, der grosse Nachbar im Süden (USA). Wir haben viel Spass und geniessen die Gastfreundschaft. Die beiden offerieren uns, bei ihnen im Haus zu übernachten. Nach einigem Zögern, nehmen wir das Angebot gerne an.

 

Show me the money − Am Morgen fahren wir alle gemeinsam nach Edmonton. Malcolm wählt dazu extra den erst vor kurzem erworbenen Range Rover. Das 13-jährige Auto ist in einem recht guten Zustand und falls ihm mal was fehlen sollte, ist es bei Malcolm garantiert in guten Händen. In Edmonton steht das angeblich grösste Einkaufszentrum der Welt, die West Edmonton Mall. Dort werden, ganz klischeehaft, die Damen abgeladen, während die Buben in St. Albert die nötigen Ersatzteile besorgen.

Markus und Malcolm werden bei Wise Owl sehr freundlich empfangen. Der noch junge Kleinbetrieb befindet sich in einem Wohnhaus. Im Untergeschoss lagern feinsäuberlich beschriftet alle Ersatzteile. So ist es ein leichtes, die benötigten Teile herauszusuchen. Nachdem Markus noch ein paar Fragen über die Reise, das Auto und die Verschiffung beantwortet hat, geht’s zurück zum Einkaufstempel. So kann auch Markus einen Blick in die gigantische Shopping Mall zu werfen. Über 800 Läden, rund 110 Restaurants, ein Vergnügungspark mit Achterbahn, ein Indoor-Eishockey Feld, eine riesige Badeanlage und vieles mehr wartet hier auf konsumfreudige Menschen. Dawn und Lulu haben in der Zwischenzeit in einem chinesischen Laden einige Lebensmitteleinkäufe getätigt. Die meisten Leute, die hier einkaufen, sind asiatischer Herkunft. Sie stört es daher kaum, das die meisten Produkte nur auf chinesisch angeschrieben sind. Es ist wirklich erstaunlich, wie viele Saucen, Reis- und Nudelsorten es hier zu kaufen gibt. Eine grosse Auswahl gibt es auch in der Gemüse- und Früchteabteilung. Lulu sind einige Sorten völlig unbekannt. Und natürlich dürfen auch ein paar lebendige Krabben nicht fehlen.

 

Nachwuchs − Zurück auf dem Hof, gibt es Neuigkeiten. Eine Kuh hat vor ein oder zwei Stunden ein junges Kälbchen zur Welt gebracht und leckt dieses nun liebevoll ab. Die Kleine sitzt im Stroh während uns die Mutter nervös beobachtet. Um das Tier nicht weiter zu beunruhigen, ziehen wir uns etwas zurück. Leider stellt sich später heraus, dass das Kälbchen nicht ganz gerade auf den Beinen steht. Dawn und Malcolm sind sich nicht sicher, ob es «nur» eine Quetschung bei der Geburt erlitten hat oder ob es sich um eine Missbildung handelt. Sie wollen das Jungtier übers Wochenende weiter beobachten und dann allenfalls den Tierarzt rufen. Wir hoffen fest, dass es dem armen Ding bald besser geht! (Leider erfahren wir später per Mail, dass das Kalb tatsächlich eine Missbildung hatte und deshalb getötet werden musste.)

 

Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt − Nach einem kleinen Imbiss (Soya HotDogs) machen sich Malcolm und Markus ans Werk. Der Slavezylinder und der Schlauch werden ausgetauscht. Zudem prüft Markus − natürlich unter der fachkundigen Anweisung von Malcolm − alle Ölstände (Motor, Getriebe, Overdrive, Differential). Gemeinsam liegen die beiden unter dem Fahrzeug im Gras. Es sieht schon fast professionell aus :-). Markus merkt, dass der Stand des Kühlwassers wieder relativ tief ist, obwohl wir es «erst» in Mitchell (South Dakota) aufgefüllt haben. Wahrscheinlich besteht irgendwo ein Leck. Markus zieht deshalb alle Schrauben der Schläuche des Kühlwasserzyklus nach. Ansonsten schreiten die Reparaturen nicht sehr schnell voran. Immer wieder gibt es kleine Unterbrüche, wo geplaudert oder Witze ausgetauscht werden. Trotzdem profitiert Markus viel von Malcolm’s Wissen und die Gesamtüberprüfung gibt uns Sicherheit, bevor es weiter in den Norden geht.

 

Offen gegenüber Veränderungen − Lulu hilft Dawn währenddessen im Haus. Sie erfährt von ihr einiges über Vögel und Pflanzen und ist ganz stolz als sie vor dem Küchenfenster einen Hummingbird (Kolibri) sichtet. Dawn ist ebenfalls ganz aufgeregt. Schliesslich ist es der erste Hummingbird, der dieses Jahr hier aufkreuzt. Die Vögel sind ganz winzig und nur ein paar Gramm schwer. Ihr Flügelschlag ist so schnell (bis zu 80x pro Sekunde!), dass man die Flügel kaum sieht. Dies kostet die Tiere natürlich viel Energie und entsprechend hoch ist ihr Nahrungs- und Wasserbedarf. Zwischen ihrem Nistplatz in Canada oder Alaska und ihrem Winterquartier in Mexico liegen tausende von Kilometern. Wirklich erstaunlich was manche Tiere leisten!

Es ist lustig Dawn zuzuhöhren, wenn sie von den Anfängen ihres Zusammenlebens mit Malcolm erzählt. Als ehemalige «Stadtperson» muss sie bei ihrer Ankunft in Canada wohl einen mittleren Schock erlitten haben. Schrittweise bringt sie seither Ordnung ins und rund ums Haus. Land Rover Teile im Wohnzimmer oder ein Motorradmotor auf dem Küchentisch gehören der Vergangenheit an. Auch die alten Ölfässer, die sich vor dem Hauseingang auftürmten, sind verschwunden und einem Garten mit Sitzplatz gewichen.

 

Land Rover intravenös − Zum Nachtessen verwöhnt uns Dawn wieder mit ihrer vegetarischen Küche und die interesanten und unterhaltsamen Diskussionen vom Vorabend gehen weiter. Später schauen wir ein Video über Bryan Adams. Dann folgen rund zwei Stunden Videoszenen über Land Rover Veranstaltungen und die Camel Trophy. Kein Wunder dass Markus danach die ganze Nacht von Land Rovern träumt.

 

Männerparadies − Malcolm hatte bereits am Vortag Bedenken bezüglich unserer Pneus geäussert. Er empfiehlt uns, diese vor der langen Fahrt in den Norden zu ersetzen. Wir haben bereits damit gerechnet und die Kosten dafür einkalkuliert. Malcolm meint, dass er evtl. ein paar gute Pneus hat, die er uns preiswert verkaufen würde. Nach dem Frühstück machen wir deshalb per Traktor eine Rundfahrt über das grosse, von zahlreichen Birkenbäumchen überwachsene Farmland. Überall hat Malcolm ein paar alte Fahrzeuge und Schrott auf den Feldern oder in Schöpfen stehen. Einige der Autowracks dienen ihm als Ersatzteillager, andere will er irgendwann wieder aufmöbeln. Wir meinen, dass er, wenn er all diese Projekte verwirklichen will, mindestens 200 Jahre alt werden muss :-).

Betreffend Pneus werden wir nicht fündig und so fahren wir mit Malcolm zum Canadian Tire. Der Laden hat gerade eine Aktion laufen. Kauft man einen Reifen, erhält man einen 2. zum halben Preis. Da das Angebot noch bis Donnerstag läuft und wir zuerst abklären wollen, was die Reifen bei Wal Mart kosten, warten wir vorerst noch ab.

Stattdessen fruchtet Malcolm’s Überzeugungsarbeit beim Kauf eines Solarpannels. Damit könnten wir Nanuq’s Batterien aufladen, sollten diese mal leer sein, wenn wir z.B. mal vergessen sollten, das Licht auszuschalten. Lulu glaubt nicht, dass uns das passieren wird und ist gegen diese Investition. Sie kann es nicht leiden, wenn jemand versucht ihr etwas «aufzuschnurren». Doch es nützt nichts, was kann «frau» schon ausrichten gegen zwei Herren im Autofieber?!

Wal Mart’s Preise für Pneus sind nicht tiefer als bei Canadian Tire. Dafür ist der Antifreeze und die Kupplungsflüssigkeit billiger. Wieder zurück auf der Farm montieren wir das neu erworbene Solarpannel auf dem Dach und füllen Kupplungs- und Kühlwasser nach. Lulu bringt währenddessen an Nanuq’s Seite einen Schriftzug mit unserer Internetadresse an. Aus schwarzem Duct Tape schneidet sie in mühsamer Kleinarbeit die einzelnen Buchstaben heraus.

 

Party − Dawn und Malcolm sind am frühen Abend zu einer Geburtstagsfeier eingeladen. Anstatt die beiden zu begleiten, bevorzugen wir es ein paar weitere Arbeiten am Auto und an der Homepage vorzunehmen. Für Malcolm und Dawn ist dies kein Problem. Wir dürfen Haus und Garten frei benutzen und uns in ihrem Kühlschrank bedienen. Das getrauen wir uns aber nicht und so verpflegen wir uns aus der eigenen «Boardküche».

Für einmal sollte Malcolm bezüglich seiner Zeitangabe recht behalten. Wie angekündigt bleiben sie nicht lange weg und bringen stattdessen das Geburtstagskind und dessen Mann gleich zum Dessert mit. Zu sechst verbringen wir einen gemütlichen und lustigen Abend. Die Homepage ist schnell vergessen und wir hören uns lieber die Bären- und Elchgeschichten an.

 

Montag, 23. Mai 05 − Der Beginn einer neuen Woche und für uns Zeit, Malcolm und Dawn Lebewohl zu sagen. Wir sind ihnen für ihre Hilfe vor allem aber auch für ihre Gastfreundschaft und Herzlichkeit sehr, sehr dankbar. Auch wenn man in einer Garage bestimmt alles viel schneller hätte erledigen können, waren die letzten drei Tage eine tolle Erfahrung. Malcolm und Dawn würden wohl ihr letztes Hemd mit uns teilen. Es ist schön, dass es solche Leute gibt und wir hoffen, sie irgendeinmal in der Schweiz begrüssen zu dürfen.