de | en

Goldrausch in Skagway

Golden Circle − Am nächsten Morgen stehen wir früh auf. Wir wollen nach Skagway fahren und dort versuchen einen Platz auf der Fähre nach Haines zu bekommen. Nach dem Frühstück und ein paar Worten mit unseren Nachbarn machen wir uns auf den Weg. Die Strecke soll gemäss Reiseführer sehr attraktiv sein. Die Rundfahrt Whitehorse -− Skagway -− Haines -− Haines Junction -− Whitehorse wird auch als Golden Circle bezeichnet. Wir sind entsprechend gespannt und erwartungsfroh.

Der erste Stopp gilt dem Emerald Lake. Das türkisfarbene Wasser kennen wir zwar schon von anderen Seen in Canada aber es ist immer wieder schön anzuschauen. Etwas weiter kommt man an der Carcross Dessert vorbei, der angeblich kleinsten Sandwüste der Welt. Bei unserer Erkundgungstour stossen wir denn auch immer wieder an ihr Ende. Die spezielle Landschaft gefällt uns sehr gut. Hinter den Sanddünen liegt der Bennett Lake, dessen Ufer von Tannenwäldern gesäumt ist und dahinter erheben sich die schneebedeckten Berge. Mit grossen Schritten rennen wir Sanddünen hinunter... was für ein Heidenspass!

 

Alaska!! − Der Klondike Highway führt uns weiter Richtung Küste. Wir passieren einige Ruinen ehemaliger Gold- und Silberminen. Leider verdecken tiefe Wolken und teils sehr dichter Nebel die angeblich wunderschöne Gegend rund um den White Pass an der Grenze von Canada zu Alaska bzw. der USA. Die Einreise in die USA verläuft reibungslos. Wir kriegen sogar extra einen Stempel mit der alten Eisenbahn in den Reisepass gedrückt. Nach der Passhöhe folgt die steile Fahrt runter nach Skagway. Wir fahren direkt zum Hafen, um dort die Fähre nach Haines zu buchen. Leider ist die Nachmittagsfähre bereits voll und auf der Warteliste würden wir nur Platz 9 einnehmen. Da unsere Chance so auf’s Boot zu kommen gleich null ist, buchen wir das Schiff um 01:30 Uhr nachts. Danach fährt erst in drei Tagen wieder eine Fähre nach Haines und so lange wollen wir nicht im extrem touristischen Skagway bleiben.

Da wir nun den ganzen Nachmittag und Abend zur Verfügung haben, begeben wir uns zu Fuss auf eine Ortsbesichtigung. Skagway ist Anglegeplatz der grossen Kreuzfahrtschiffe. Diese bringen täglich tausende von Touristen in die Stadt, was das Stadtbild entsprechend prägt. Hotels und Restaurants findet man kaum, da auf den Kreuzfahrschiffen die Verpflegung und Unterkunft eingeschlossen sind. Dagegen findet man in den zahlreichen historischen Gebäuden Skagway’s heute vor allem Souvenirläden mit tausenden von Artikeln. Nebst viel Junk hat Skagway aber auch eine interessante Geschichte zu bieten, die mit dem Goldrausch am Klondike zu tun hat.

 

Gold, Gold, Gold − In den Jahren 1897 und 98 diente Skagway und das 8 Meilen entfernt liegende Dyea als Ausgangspunkt für über 40’000 hoffnungsvolle Goldgräber, die sich zu den Goldfeldern des Klondike aufmachten. Die Einwohnerzahl der beiden Orte explodierte innerhalb von ein paar Monaten. 1887 wohnten in Skagway zwei, zehn Jahre später, als die reichen Goldfunde am Klondike River erstmals in der Presse Schlagzeilen machten, stieg die Zahl innert kürzester Zeit auf 20’000! (Heute beträgt die Einwohnerzahl etwa 850. Am Tag kommen jedoch ein paar tausend Touristen dazu.)

Um zu den Goldfeldern rund um Dawson City zu gelangen, gab es drei Möglichkeiten. Für die meisten unbezahlbar war die Allwasserroute von Seattle nach St. Michael an der Beringsee und dann den Yukon River aufwärts bis nach Dawson. Den langen Landweg durch British Columbien schafften nur wenige und so reisten etwa 90% der Goldsucher mit dem Schiff nach Skagway oder Dyea, von wo aus sie entweder die Route über den White Pass (Skagway) oder den Chilkoot Pass (Dyea) in Angriff nahmen.

Der Chilkoot Trail, ein alter Tlingit-Pfad, war einige Kilometer kürzer, dafür aber so steil, dass er für Packtiere nicht begehbar war. Auf der Route über den White Pass konnten zwar Pferde eingesetzt werden, dafür musste man jedoch einen relativ hohen Wegzoll bezahlen. Vielen Goldsuchern blieb deshalb nur der Weg über den Chilkoot Pass. Egal für welchen Pass man sich entschieden hatte. Man legte bei beiden ein Vielfaches der eigentlichen Wegstrecke zurück, denn die kanadische Regierung verlangte von allen, dass sie beim Überschreiten der Pässe (Grenze USA − Canada) einen Jahresvorrat an Lebensmitteln vorweisen konnte. So wollte man einer, seit dem Ansturm der Goldgräber, vorhandenen Versorgungsschwierigikeit in Dawson City entgegensteuern. Zusammen mit der Ausrüstung ergab dies pro Kopf ca. 1 Tonne Material. Die Stampeeders mussten also z.B. die 33 Meilen (53 km) über den Chilkoot Pass 20 − 40 mal bewältigen, um all ihr Hab und Gut auf die andere Seite zu bringen.

Wer zum Sommeranfang, wenn der Boden langsam auftaute, am Ziel in Dawson City sein wollte, musste im Winter starten. Das hiess sich bei eisiger Kälte über einen der beiden Pässe zu kämpfen, auf der anderen Seite am Lake Bennett, wo die beiden Routen zusammenkamen, ein Boot oder Floss zu bauen, um mit diesem nach dem Aufbrechen des Eises in Richtung Yukon River abzulegen. Auf dem Yukon River folgten ca. 740 km Flussfahrt, die teils mit gefährlichen Stromschnellen gespickt war, bis nach Dawson City. Der Weg forderte einige Menschenleben und von jenen, die die gelobten Goldfelder am Klondike River erreichten, brachten es nur wenige zu Reichtum. Längst waren die Claims abgesteckt. Den Neuankömmlingen blieb oft nichts übrig als Lohnarbeit in den ertragreichen Goldminen anderer.

Die Leistung der Goldsucher und die Bilder aus dieser Zeit sind äusserst eindrücklich. Wie gross muss die Hoffnung auf schnellen Reichtum gewesen sein, dass die Leute solche Strapazen auf sich genommen haben?

Nicht alle die nach Skagway kamen, machten sich auf den Weg Richtung Norden. Einige erkannten in der Boomtown ihre persönliche Goldgrube und eröffneten z.B. einen Laden oder Saloon. Da Alaska zu jener Zeit im Gegensatz zu Canada, wo dieNorth West Mounted Police für Ordnung sorgte, ein rechtsfreier Raum war, boten sich in Skagway auch für zwielichtige Gestalten gute Geschäftsmöglichkeiten. So betrieb zum Beispiel Soapy Smith unter anderem ein «Telegrafenamt», von wo die Neuankömmlinge für $5 ein Telegramm nach Hause schicken konnten, um der Familie die gute Ankunft in Skagway mitzuteilen. Keiner der Absender wußte, dass es noch gar keine Telegrafenlinien gab, die bis nach Skagway reichten, denn wundersamerweise erhielten alle von ihnen eine rasche Rückmeldung von ihrer Familie.

 

Das Ende − So schnell die beiden Orte Dyea und Skagway gewachsen sind, so schnell verkamen sie auch zu Geisterstädten. Dyea’s Ende kam 1900 mit der Fertigstellung der White Pass & Yukon Rail Road. Fortan musste man sich nicht mehr zu Fuss über die Pässe quälen, sondern konnte von Skagway aus bequem mit dem Zug nach Whitehorse reisen. Aber auch Skagway’s goldene Tage waren mit dem Abklingen des Goldrauschs gezählt.

Heute ist die 1988 wiedereröffnete Eisenbahnlinie eine Touristenattraktion. Viele Gäste der Kreuzfahrtschiffe leisten sich die teure Fahrt nach Whitehorse. Je nach Fahrzeit muss man die Tickets bereits Wochen oder gar Monate im Voraus buchen. Wie schade, wenn man dann wie heute einen wolkenverhangenen und nebligen Tag erwischt.

Auchder Chilkoot Trail ist bei Touristen sehr beliebt. So beliebt, dass man die Anzahl Wanderer pro Tag limitieren musste. Man braucht also für die mindestens 3 Tage dauernde Wanderung eine kostenpflichtige Bewilligung. Entlang der Strecke kommt man an Gegenstände vorbei, welche von erschöpften Stampedern zurückgelassen wurden.

Da uns der Rummel in Skagway zuviel wird, fahren wir nach Dyea. Von der ehemaligen Zeltstadt ist nicht viel zu sehen. Nur Gedenktafeln und ein paar einzelne Holzbretter und Pfähle erinnern an die kurze Blütenzeit. Der Rest ist entweder zerfallen oder vom Wald zurückerobert worden.

 

Deutscher Büffel − Beim Ferry Terminal schlagen wir die Zeit bis zur Abfahrt mit Karten spielen und lesen tot. Hier treffen wir auch Ray und seine deutsche Frau Hannelore aus Kalifornien. Sie haben ihr Haus verkauft und erkunden nun in ihrem Wohnwagen für ein Jahr die USA. Zusammen amüsieren/nerven wir uns über ein deutsches Paar, das im Unimog unterwegs ist. Der Besitzer ist in etwa so stur und grimmig wie der Büffel, dessen Hörner die Motorhaube des riesigen Gefährts zieren. Ray möchte gerne mehr über das Auto erfahren und spricht den Deutschen an. Dieser weist ihn jedoch mit einem «no comment» grob zurück. Wir fragen uns warum so weit gereiste Leute (die Kleber auf dem Unimog weisen jedenfalls darauf hin) so abweisend gegenüber Fremden sind. Solch griesgrämige Menschen sollten besser zu Hause bleiben.

Um halb zwei fahren wir mit Nanuq auf die Fähre. Leider ist es bereits dunkel, so dass wir während der rund einstündigen Überfahrt nach Haines nicht viel sehen. Kurz vor drei Uhr morgens treffen wir in Haines ein. Wir wollen nicht mehr lange nach einem geeigneten Übernachtungsplatz suchen und stellen unseren Wagen kurzerhand auf dem Parkplatz vor dem Ferry Terminal ab.