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Adler über Haines

Hahn im Korb − Nach einer kurzen Nacht fahren wir ins Zentrum von Haines. Welch ein Unterschied zu Skagway. Da hier keine Kreuzfahrtschiffe anlegen, ist der Ort nicht so touristisch und hat den Charme eines kleinen Fischerortes behalten. Zu Fuss begeben wir uns auf eine Stadtbesichtigung. Haines und dessen Umgebung ist ebenfalls Heimat der Tlingit's und so erstaunt es uns nicht, hier ähnliche Schnitzereien wie in Teslin vorzufinden. Wir besichtigen eine kleine Werkstatt, wo solche Kunstwerke angefertigt werden, und den dazugehörenden Shop. Leider ist zur Zeit kein Künstler aktiv am Werk.

Zurück beim Auto bereitet Lulu die Sandwiches für den Mittag zu. Markus setzt sich währenddessen zu vier älteren Frauen an den Tisch vor einer kleinen Eisdiele. So viele Verehrerinnen passen ihm sichtlich ;-) Bereitwillig gibt er über Nanuq und die Reise Auskunft. Im Gegenzug erfahren wir etwas über ihre Lebensgeschichten und viel Interessantes über das Leben in Haines und Alaska. Besonders witzig finden wir Mary. Die alte Dame ist immer noch voller Abenteuerlust und schreckt nicht davor zurück bei Schäden selbst an ihrem Auto herumzubasteln. Ob es wohl daran lag, dass bei einem Ausflug mit ihren Freundinnen plötzlich die Bremsen versagten? Aber Mary wäre nicht Mary, wenn sie nicht auch diese heikle Situation irgendwie gemeistert hätte.

Nach dem Mittagessen folgen wir einem Tipp und fahren zum Chilkat State Park. Wir werden mit einer schönen Aussicht auf den Rainbow Glacier belohnt. Durch das von der Rangerin installierte Fernrohr können wir sogar ein paar Dall sheep ausmachen. Lulu gefallen ausserdem die blitzschnell herumfliegenden Hummingbirds.

 

Was ist lästiger als Mosquitos? − Gegen Abend fahren wir zum Chilkoot Lake. Wir haben gehört, dass man dort mit etwas Glück Braunbären beobachten kann. Wir kriegen zwar keine Bären dafür aber Weisskopfseeadler zu Gesicht. In Haines versammeln sich hauptsächlich von Oktober bis Februar tausende von Weisskopfseeadlern im Alaska Chilkat Bald Eagle Preserve. Jetzt im Juni sind sie nur vereinzelt anwesend. Wir schauen den Raubvögeln trotzdem fasziniert zu. Nervend sind dagegen die vielen kleinen Fliegen, die uns beim Nachessen um die Köpfe schwirren. Auch Regina und Gerrit aus Deutschland, die mit ihrem Mietcamper für drei Wochen in Alaska und dem Yukon unterwegs sind, leiden unter den Plaggeistern.

 

Wetterprophet Drake − Im Verlaufe des Abends bessert sich das Wetter und schliesslich kommt sogar die Sonne zum Vorschein. Wir fahren noch ein Stück dem Chilkat River entlang. In diesem Gebiet halten sich häufig Elche auf. Aber momentan lassen sie sich nicht blicken.Inzwischen ist der Himmel fast wolkenlos und die tiefstehende Sonne taucht die Landschaft in ein rötliches Licht. Ideale Bedingungen also, um einen Flug über die Gletscherlandschaft von Glacier Bay zu unternehmen. Um zehn Uhr abends ist es dafür aber leider etwas zu spät. In der Hoffnung, dass das Wetter hält, übernachten wir auf einem Parkplatz beim Flughafen.

Als wir am Morgen erwachen, scheint die Sonne. Im Flughafengebäude wird uns Drake als Pilot empfohlen. In einem kurzen Telefongespräch, erklärt uns Drake, dass er am Morgen ein paar Bergsteiger in den Glacier Bay National Park fliegen wird. Am Nachmittag hingegen habe er Zeit. Wir äussern unsere Bedenken, ob das Wetter bis dann hält. Drake meint nur: «Es wird noch besser!».

 

Ein Schritt näher... − Den freien Morgen verbringen wir damit, zwischen Visitor Center, Bibliothek, Wi-FI-Spot (Internet) und Telefonzelle hin und her zu pendeln. Bereits anfangs Januar haben wir den Zeltplatz im Katmai National Park, wo man den Braunbären beim Fischen zuschauen kann, gebucht. Pro Nacht können hier nur maximal 60 Leute übernachten und die Plätze sind während dem Hauptlachszug (= viele Bären) im Nu ausgebucht. Nun müssen wir uns aber noch um den Flug bemühen. Wir regen uns auf, dass wir diesen nicht auch schon früher gebucht haben. Dann wäre er nämlich deutlich billiger und die Auswahl an Flugdaten grösser gewesen. Da wir den Zeltplatz für die Maximaldauer von eienr Woche reserviert haben, haben wir betreffend der Daten wenigstens einen kleinen Spielraum. Nach langem Überlegen betreffend wer, wie, was, wann und wo und nach x Telefongesprächen, nimmt Markus die Reservation schliesslich bei Katmai Air vor. Während Markus noch am Telefon ist, stolpert Lulu beim Lesen einer Broschüre über den Hinweis, dass man auch von Homer aus in den Park fliegen kann. (Bis jetzt war uns nur der Flug von Anchorage aus via King Salmon bekannt.) Obwohl wir gerade einen Flug gebucht haben, wollen wir die Alternative auschecken. Wir wählen uns per Wireless nochmals ins Internet ein und suchen nachFlugveranstaltern in Homer. Dabei stossen wir auf Bald Mountain Air. Per Telefon erfahren wir, dass diese Variante zwar noch ein wenig teurer, dafür aber bei den Daten viel flexibler ist. Weitere positive Aspekte, wie die attraktive Flugroute, kein Risiko den Anschlussflug zu verpassen (Direktflug) und der auf Grund des kleineren Betriebes persönlichere Service überzeugen uns, mit Bald Mountain Air zu fliegen. Glücklicherweise ist die Buchung bei Katmai Air (u.a. infolge ihres komplizierten Systems) noch nicht vollständig abgeschlossen und wir können sie kostenlos rückgängig machen. Erst danach buchen wir definitv bei Bald Mountain Air. Wir werden am 11. Juli in den Park und am 14. Juli wieder raus fliegen. Für Markus geht ein Traum in Erfüllung. Er freut sich riesig. Lulu ist wegen der Bären, die dort zahlreicher als Touristen sind, noch etwas skeptisch.

 

Über den Wolken ist die Freiheit grenzenlos − Auf den Flug heute Nachmittag freuen wir uns beide. Wie von Drake vorausgesagt, ist das Wetter inzwischen noch strahlender. Wir einigen uns mit Drake darauf, dass wir uns erst unterwegs für die kürzere oder längere Tour entscheiden können, je nachdem wie es uns gefällt. Wir hätten auch die Möglichkeit auf einem Gletscher zu landen. Wir verzichten aus Budgetgründen darauf, obwohl uns Drake versichert, dass es ein preiswertes Angebot ist.

Einmal in der Luft, wählen wir dafür schon bald die längere Tour. Die Landschaft im Glacier Bay National Park ist absolut grandios. Hohe, schneebedeckte Gipfel, langgeschwungene Gletscher und türkisfarbene Seen fesseln uns. Drake macht einen tollen Job. Er passt seine Flüge den Kundenwünschen an. So legen wir den Schwerpunkt unserer Tour auf die Gletscher. Die zerfurchten und verschiedenfarbigen Eismassen erinnern an riesige Drachenrücken. Auf dem Rückweg lässt Drake über die Kopfhörer Musik ertönen. Perfekt zum Träumen und Geniessen.

 

Nanuq wird Kanadier − Nach dem Flug fahren wir nach Haines Junction. Die Strasse folgt dem Verlauf des alten Dalton Trail, der während des Goldrausches einen alternativen Weg nach Dawson City bot. Frank Dalton hatte schon 1890 das erste Teilstück angelegt und wenig später Handelsposten errichtet. Die hohen Wegzölle für die Benutzer seiner Strasse brachten mehr Gewinn als die meisten Claims der Goldfelder. Aber bereits 1900 verlor der Dalton Trail mit der Fertigstellung der Eisenbahn von Skagway nach Whitehorse seine Bedeutung. Die 160 Meilen lange Strecke ist eine der schönsten unserer bisherigen Reise. Kurz nach Haines fährt man entlang des Chilkat Bald Eagle Preserves, wo im November angeblich bis zu 4000 Weisskopfseeadler zusammen kommen. Danach geht es den Chilkat Pass hoch, wo man die Grenze zu Canada überquert. Die Grenzbeamtin scheint ihre Ausbildung erst kürzlich abgeschlossen zu haben. Sie hat sämtliche Bestimmungen auswendig im Kopf und macht ihren Job sehr genau. Sie fordert uns auf alle Einfuhrpapiere des Wagens vorzulegen. Leider haben wir dies nur für die USA und nicht für Canada. Der kanadische Grenzbeamte bei Sumas hatte damals nichts dergleichen ausgestellt. Dieses Versäumnis müssen wir nun nachholen. Mit grosser Präzision füllt die Beamtin die entsprechenden Formulare aus. Zum Glück verlangt sie die übliche Kaution für eine mögliche Nichtwiederausführung des Fahrzeuges nicht. Mit zusätzlichen Fahrzeugpapieren ausgestattet, können wir schliesslich den nun hoch offiziellen temporär eingeführten Nanuq über die Grenze fahren.

Nach dem Pass fährt man über ein wunderschönes Hochplateau. Die letzten Kilometer führen schliesslich entlang des Kluane National Parkes runter nach Haines Junction. Unterwegs halten wir immer wieder an, um die Aussicht zu geniessen. Wir machen ausserdem einen kurzen Abstecher zu den Million Dollar Falls. Als wir um Mitternacht beim Visitor Center in Haines Junction vorfahren, treffen wir zwei Velofahrer. Sie werden Morgen beim jährlichen Kluane to Chilkat Bike Relay mitmachen. Dieses Rennen war mitunter der Grund, warum wir unbedingt noch heute bis nach Haines Junction wollten. Morgen werden die Biker die Strecke in umgekehrter Richtung bewältigen und die Strasse wird dann teilweise gesperrt sein. Während sich einer der Velofahrer angesichts des morgigen Anlasses frühzeitig in die Federn begibt, ist der andere für einen Schwatz mit uns zu haben. Selbst als wir zu später Stunde noch eine Tomatensuppe wärmen, ist er noch immer draussen und liest. So bereitet sich jeder auf seine eigene Art und Weise auf das Rennen vor.