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Valdez: Fluch und Segen des Öls

Alles voll − Auf dem Weg nach Valdez schauen wir uns den Worthington Glacier an. Danach überqueren wir den Thompson Pass. Nebel und Wolken schränken die Sicht auf die Berge ein. Kurz vor Valdez durchfährt man den Keystone Canyon, wo mehrere Wasserfälle über den schwarzen Stein hinabfliessen.

Valdez empfängt uns mit vielen RV’s (Motorhomes/Camper) und schlechtem Wetter. Von der viel gelobten Bergkulisse können wir nur Ansätze erkennen. Die Campgrounds sind praktisch bis auf den letzten Platz gefüllt. Ob dies hier normal ist oder ob’s mit dem kommenden verlängerten Wochenende (4. Juli = Nationalfeiertag) zusammenhängt, wissen wir nicht. Wir meiden die teuren und überfüllten Campgrounds und stellen Nanuq lieber auf einen öffentlichen Parkplatz im Hafengelände.

 

Telepathie − Am darauffolgenden Morgen sieht das Wetter leider immer noch nicht besser aus. Es nieselt und vom Meer her kommt dichter Nebel. Aus einer Bootstour in die Fjord- und Gletscherlandschaft des Prince William Sound wird vorläufig nichts. Wir gehen ins Visitor Center, um uns beraten zu lassen, was man in Valdez sonst noch unternehmen kann. Ausserdem haben wir seit Beaver Creek, einen Gutschein dabei, den wir hier in einlösen können. Auf dem Bon steht, dass wir bei einer Teilnahme an einer Umfrage der Touristeninformation einen Lachs geschenkt erhalten. Wir erwarten ein Stück geräucherten Lachs oder allenfalls ein Lachsfilet und sind ganz perplex, als sie Tiefkühltruhe öffnen und uns zwei ganze Lachse in die Hände drücken. Was sollen wir bloss damit anfangen? In unserem Cooler hat es A) zu wenig Platz und B) ist es zu wenig kühl. «Wenn Walter und Christa hier wären, könnten wir ihnen einen abtreten». Kaum hat Markus den Satz beendet, geht die Türe auf und Walter kommt herein. Auch ihnen hat das Wetter einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nach einer kurzen Lagebesprechung beschliessen wir, den Tag zusammen zu verbringen.

 

Perlweiss − Als erstes treffen wir uns bei der Tankstelle zu der auch ein Wäschesalon und Duschen gehören. Die Duschen sind zwar stolze $ 5 pro Person aber man gönnt sich ja sont nichts :-) Immerhin werden wir im Gegensatz zur Wäsche ganz sauber. Die Waschmaschinen in den USA und Canada kommen nicht an die Modelle in der Schweiz heran. Das «Zeugs» ist nach dem Wäschegang weder ganz sauber noch riecht es besonders frisch. Na tja, wir haben’s wieder einmal versucht.

 

Fischers Fritz fischt frische Fische − Später fahren wir gemeinsam die Dayville Road zum Allison Point runter. Dort schauen wir bei anhaltendem Nieselregen und Nebel den Fischern am Ufer und auf den Fischerbooten zu. Zwischendurch springt ein Lachs aus dem Wasser oder es taucht ein Seeotter auf. Einmal verfängt sich sogar ein Seehund im Netz eines Fischerbootes. Zum Glück kann er sich wieder befreien, nachdem er sich ausgiebig an seinen «Mitgefangenen», den Lachsen, gesättigt hat. :-) Unglaublich welche Mengen Fisch hier in kurzer Zeit an Land gezogen werden. Wir bezweifeln, ob es überhaupt ein Lachs schafft, an den Netzen vorbeizukommen.

 

Plötzlicher Reichtum − Etwas weiter die Strasse runter ist das Pipeline Terminal, welches seit den Anschlägen vom 11. September 2001 für Besucher geschlossen ist. Das Trans Alaska Pipeline System (TAPS) transportiert Rohöl in 9 Tagen von Prudhoe Bay im Norden Alaskas über 800 Meilen südwärts nach Valdez, Nordamerikas nördlichster, eisfreier Hafen. Auf dem Weg führt die Pipeline durch die Tundra und überquert Berge und Flüsse.

Das Öl wurde 1968 entdeckt und sieben Jahre später begann man mit dem Bau der Pipeline. Während den Spitzenzeiten beschäftigte die Pipeline 28’000 Leute. Sie arbeiteten sieben 12 Stunden Schichten die Woche und erhielten dafür mehr als $ 1’500 (pro Woche). Die Gesamtkosten für den Bau betrugen $ 8 Milliarden! Die Pipeline wurde so konstruiert, dass sie Erdbeben und Permafrost standhält. Dafür wurde sie während 420 Meilen auf Stützen gebaut. Es musste ausserdem darauf geachtet werden, dass für Karibus, Elche und andere Tiere genug Möglichkeiten bestehen, die Pipeline zu kreuzen.

Am 20. Juni 1977 war es soweit. Das Öl begann zu fliessen. Alaska erlebte einen Boom. Mitte der 80er Jahre war Alaska der Staat mit dem höchsten Prokopfeinkommen der USA. In Anchorage wurden Sportarenen, Bibliotheken, Kunstzentren, etc. gebaut und jedes Buschdorf erhielt eine teure Schule. Von 1980 bis 1986 erwirtschaftete der Staat mit nur einer halben Million Einwohner $ 26 Milliarden.

 

Kehrseite − Die meisten Alaskaner erfuhren die Kehrseite der Medaille erst 1986 als die Ölpreise weltweit sanken. Noch härter traf sie jedoch das Öltankerunglück von 1989. Der Tanker Exxon Valdez verlässt ohne die vorgeschriebene Eskortierung den Hafen von Valdez und rammt ein Riff. Fast 11 Millionen Gallonen Öl laufen in den Prince William Sound. Es ist das grösste Ölunglück in der amerikanischen Geschichte. Das Öl verteilt sich schnell und verschmutzt 1’500 Meilen Küstengebiet. Ungefähr 645’000 Vögel und 500 Seeotter verenden. Noch heute kann man unter der Oberfläche an den Stränden der Region Öl finden. Immerhin hatte das Unglück positive Auswirkungen auf die Sicherheitsvorschriften bei Öltankern. Trotzdem verlor im letzten Winter erneut ein Tanker Öl vor Alaska’s Küste.

 

Bush & Co. − Die Ölvorräte im Norden werden kleiner. Flossen während dem Höhepunkt 1987 noch zwei Million Barrels pro Tag durch die Pipeline, sind es heute nur noch die Hälfte. Die Geldeinbussen für den Staat äussern sich bei Einsparungen in verschiedenen Bereichen. So wurden 2002 zum Beispiel elf State Parks geschlossen. Im Moment diskutieren Vertreter der Ölfirmen, Politiker und Umweltverbände über die Erschliessung neuer Ölquellen wie zum Beispiel im Arctic National Wildlife Refuge. Für die meisten Alaskaner ist es nur eine Frage der Zeit, bis das Naturschutzgebiet für das Bohren nach Öl und Gas geöffnet wird.

 

Die Profis − Auf dem Rückweg nach Valdez halten wir auf der Dayville Road bei einem Fluss neben der Fish Hatchery. Hier kann man mitverfolgen, wie ein Lachszug aus dem Meer den Fluss hoch kommt. Es ist ein wahres Spektakel, den schwimmenden und springenden Fischen zuzuschauen. Wo es Lachse gibt, sind auch die Möwen und Weisskopfseeadler nicht weit. Wir kommen diesen Vögeln am Strand ziemlich nahe. Der Bald Eagle (Weisskopfseeadler) beeindruckt uns mit seinem spitzen Schnabel, den scharfen Klauen und dem berühmten Adlerblick und flösst uns auch eine gewisse Portion Respekt ein. Wir könnnen auch ein paar junge Adler beobachten. Sie haben noch nicht den typischen weissen Kopf sondern am ganzen Körper ein braunes Gefieder.

Zurück beim Small Boat Harbor von Valdez schauen wir bei der Fischfarik «Peter Pan» vorbei. Hier kann man bei einem Teil des Fischverarbeitungsprozesses zuschauen und erhält Halibut und Lachs zu günstigen Preisen. Wegen unserer beschränkten Kühlmöglichkeiten kaufen wir statt vakumierten Filetstücke vier Dosen mit Pink Salmon. Wir sind gespannt, wie Lachssalat im Vergleich zu Thonsalat schmeckt. Am Hafen gucken wir anschliessend den Fischern zu, wie sie den Tagesfang mit flinken Fingern ausnehmen und filetieren. Die grossen Fische werden an Haken gehängt und zur Schau gestellt. Die Fischabfälle locken zahlreiche Möwen an, die sich trotz dem grossen Angebot um jedes Stück lauthals streiten.

In Christa’s und Walter’s Iveco sitzen wir später gemütlich zusammen und geniessen den Lachs aus dem Visitor Center. Dabei erfahren wir mehr über das Ehepaar und ihre bisherigen Reisen in Europa und Afrika. Den aktuellen Trip durch Nord- und Südamerika soll ungefähr zwei Jahre dauern. Mit der Planung haben sie jedoch schon vor zehn Jahren begonnen! Die sorgfältige Vorbereitung kann man an einigen Details gut herausspüren. Wir haben es zwar schon geahnt, doch nun ist es offiziell bestätigt. Wir sind im Vergleich dazu völlig chaotisch und unorganisiert. Für die Nacht suchen wir einen ruhigen Standplatz ausserhalb von Valdez. Trotzdem beklagt sich Walter am nächsten Morgen, dass er die zeimlich weit entfernte Pipeline brummen gehört hat. Alles kann man halt doch nicht vorausplanen ;-)

 

Schweiz Alaska’s − Am 2. Juli trennen sich unsere Wege wieder. Walter und Christa sind das feuchte und neblige Wetter leid. Sie fahren Richtung Anchorage. Wir geben die Hoffnung auf Wetterbesserung nicht auf und warten zu. Wir erledigen ein paar Einkäufe in der Stadt und erkundigen uns nach den Wetterprognosen. Diese sehen für die ganze nächste Woche leider alles andere als rosig aus. Den Vorhersagen soll man zwar nicht immer glauben aber die Aussicht unter Umständen vergeblich eine Woche im teuren Valdez abzuhängen, erscheint uns nicht sehr verlockend. Wir entscheiden uns deshalb, ebenfalls Richtung Anchorage zu fahren. Schade, wir hätten Valdez und die umliegenden Berge gerne bei schönem Wetter gesehen. Nur so könnten wir selbst urteilen, ob der Ort seinem Übernamen als die «Schweiz Alaska’s» gerecht wird. Oder bezieht sich der Name vielleicht aufs Wetter?! ;-)

 

Ups and downs − Bevor wir Valdez ganz den Rücken kehren, schauen wir uns kurz die Old Town Site von Valdez an. Ausser zwei Infotafeln ist hier allerdings nichts mehr ersichtlich. Wir lernen immerhin etwas über die Entstehung und Zerstörung vom historischen Valdez. 1897 kommen 4’000 Goldsucher nach Valdez. Ihnen wurde der Ort als der beste Ausgangspunkt zu den Klondike Goldfeldern gepriesen. Stattdessen finden sie hier nur ein paar Zelte und die gefährlichste Route ins Inland überhaupt. Viele verlieren ihr Leben beim Überqueren der zerfurchten Gletscher und Berge. 1899 kommt Capitan William Abercrombie in Valdez an. Er sucht und findet eine einfachere Route ins Landesinnere, welche dem heutigen Richardson Highway durch den Keystone Canyon und über den Thompson Pass entspricht. Valdez floriert kurzfristig dank ein paar Minen. Nach 1900 verliert die Stadt allerdings gegen Cordova im Wettbewerb um die Endstation der Bahnlinie von Kennecott an die Küste. 1964 muss Valdez einen noch grösseren Tiefschlag erleiden. Das berühmte Erdbeben vom Karfreitag und die darauffolgende Tsunamiwelle zerstören das ganze Dorf. Es dauert zwei Jahre bis das neue Valdez, vier Meilen vom alten Standort entfernt, wieder aufgebaut ist.