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Auf dem Sterling Highway nach Homer

Ich bin doch nicht blöd − Am Freitag 8. Juli 2005 fahren wir zuerst auf dem Seward Highway Richtung Norden und dann auf dem Sterling Highway Richtung Westen. In Cooper Landing kommen wir mit einem Veranstalter von Schlauchboot-Tourenins Gespräch. Er will uns den Trip schmackhaft machen und schwärmt von den Tieren, die angeblich oft am Ufer zu sehen sind. Als wir etwas genauer nachfragen, erfahren wir, dass es sich dabei meist um Bären handelt. Elche sind dagegen sehr selten. Das Prachtsexemplar von einem Elch, welchen er gross auf der Frontseite seines Werbeflyers abgebildet hat, wurde zum Beispiel nicht während der Flussfahrt aufgenommen. Vielmehr handelt es sich dabei um einen täglichen Besucher seines Gartens. Den «dummen» Touristen verkauft man so einiges ;-)

 

Chapeau − Wir verzichten auf die Schlauchboot-Tour, den wir haben gelesen, dass man am Russian River auch ohne Guide oft Bären beobachten kann. Der Campground vor Ort ist bereits voll. Reservationen müssen während der Lachszugzeit bis zu einem Jahr im Voraus gemacht werden. Da wir die Parkgebühr von $ 6 sparen wollen, stellen wir Nanuq etwas weiter weg entlang der Strasse ab. Zu Fuss machen wir uns dann auf den Weg zum Russian Falls Trail. Auf halbem Weg hält ein Pick-up Fahrer und lässt uns auf seiner Ladefläche bis zum Trailhead mitfahren. Die Wanderung dauert etwa 1 1/2 Stunden pro Weg. Bei den Fällen sehen wir zwar keine Bären aber einige Lachse, die versuchen die Wasserschwellen zu meistern.

In Alaska gibt es fünf Lachsarten: King, Sockeye (red), Pink, Silver und Chum. Was diese Tiere leisten, ist einfach unglaublich. Im Frühling verlassen die jungen Lachse die Kiesbeete, in welche ihre Mutter im vergangenen Jahr die Eier gelegt hat. Die kleinen Fische leben für zwei Jahre im Fluss, bevor sie ihre Reise in den Ozean beginnen. Dort verbringen sie je nach Lachssorte zwei bis drei Jahre im Salzwasser. Ihr Instinkt führt sie danach wieder in den Fluss zurück, in welchem sie geboren wurden. Was genau sie antreibt oder an was sie sich orientieren,ist nach wie vor ein Geheimnis der Natur. Sobald sie vom Salz- ins Süsswasser übertreten, hören sie auf sich zu ernähren. Ihre Körper verfärben sich immer röter, ein Zeichen dafür, dass sich ihr Leben dem Ende zuneigt. Noch haben sie aber eine Aufgabe zu erfüllen. Gegen den Strom und über Wasserfälle hinweg kämpfen sie sich ihrem Endziel entgegen. In einem geeigneten Flussabschnitt ganz in der Nähe ihres Geburtsortes legt das Weibchen bis zu 10’000 Eier in das lose Kiesbeet. Das Männchen schwimmt über die gelegten Eier und befruchtet diese. Nach getaner Arbeit sterben beide Elternteile. Von den 10’000 Nachkommen schafft es nur ein Bruchteil heil in den Ozean und zurück. Andere Fische, Wale, Adler, Bären und Fischer holen sich ihren Anteil aus dem Wasser.

 

Mä nimmts vo de Läbige − Von anderen Touristen erfahren wir, das wir unser (Bären)-Glück am Zusammenfluss des Russian und Kenai River versuchen sollen. Dort sind fast immer Bären zugegen. Wir machen uns also auf Rückweg. Bei der Strasse angelangt, haben wir wieder Glück und können im vollgestopften Kofferraum von ein paar Fischern mitfahren.

Wieder im eigenen Auto unterwegs fahren wir bis zur besagten Stelle, wo die beiden Flüsse Russian und Kenai zusammenkommen. Hier kostet das Parking sogar $ 9. Klar, dass wir Nanuq deshalb auch hier wieder am Strassenrand abstellen. Der Ort ist bei Anglern äusserst populär. Zu Spitzenzeiten des Lachszuges stehen die Fischer Schulter an Schulter (combat fishing) am Rande des Flusses. Im Gleichtakt werden die Routen ausgeworfen, die Schnur in einem Halbkreis durchs Wasser gezogen und schliesslich wieder eingeholt. Wehe einer der Mitfischer hat Angel und/oder Fisch nicht im Griff. Schnell entsteht ein Durcheinander und die Kollegen sind verärgert. Im Moment ist die Sitation nicht allzu schlimm. Der erste Lachszug ist vorüber und der zweite erst unterwegs. Die Fische sind daher etwas Mangelware und so gönnt sich auch der eine oder andere Angler eine Pause. Wir können aber trotzdem einige erfolgreiche Fischer beobachten. Bären sehen wir aber auch hier nicht, da sie sich scheinbar auf der anderen Flussseite aufhalten. Es gibt zwar eine Fähre, die wie in Basel an einem Seil über den Fluss führt, aber die ist uns für $ 8 pro Person zu teuer. Wir werden hoffentlich nächste Woche im Katmai Nationalpark noch genug Bären sehen. Vor ein paar Jahren kostete die Fähre übrigens noch $ 3 und im aktuellsten Reiseführer ist sie mit $ 6 aufgeführt.

 

Schweigsame Schweizer − Nachdem wir eine Weile dem Treiben am Fluss zugesehen haben, machen wir uns wieder auf den Weg. Wir entscheiden uns für den kleinen Umweg via Skilak Lake Loop. Hier hat man zwar immer wieder gute Ausblicke auf Seen und Täler aber unsere Hoffnung hier einen Elch zu erblicken wir leider enttäuscht. Stattdessen treffen wir ganz unerwartet Didi und Astrid in ihrem Toyota Landcruiser wieder. Sie sind von Whitehorse aus, wo wir sie kennengelernt haben, nach Dawson City und Fairbanks hochgefahrenund haben den fast 800 km langen Dalton Highway hin und zurück befahren. Im Vergleich dazu kommen wir nur wie die Schnecken voran. Didi kommt in Fahrt und erzählt in seiner Superlativsprache von all den Heldentaten und Abenteuern, die sie erlebt haben. Wir dagegen werdenimmer schweigsamer. Aber aus deutscher Sicht sprechen wir Schweizer ja eh nicht viel ;-). Trotzdem sind wir für einzelne Tipps immer dankbar und diese hat Didi als erfahrener Globetrotter allemal auf Lager.

Im Reiseführer lesen wir vom Swanson River Gebiet, welches wegen den vielen, teils miteinander verbundenen, Seen bei Kanuten sehr beliebt ist. Wir stellen uns vor, dass wir dort sicher ein schönes Plätzchen fürs Übernachten finden werden und fahren einen Grossteil der sehr holprigen Swanson River Road ab. Ausser Bäumen können wir allerdings nichts sehen. Die Seen sind dahinter versteckt und von der Strasse aus nicht sichtbar. So schlagen wir unser Nachtlager eben nicht an einem Seeufer sondern in einer Kiesgrube auf.

 

Hier regiert der «King» − Am nächsten Morgen fahren wir zum Visitor Center in Soldotna. Hier ist der weltweit grösste je gefangene Lachs (King Salmon) ausgestellt. Der Fisch ist mit ungefähr 45 Kilos wirklich beeindruckend. Wir können uns nicht vorstellen, wie man ein solches Ding an einer Angel aus dem Fluss holt. Soldotna ist bei Fischern aus aller Welt sehr bekannt. Von Anchorage aus sind es nur ein paar Stunden Fahrt und der Kenai River fliesst mitten durch die Stadt und ist somit gut erreichbar. Es ist offensichtlich, dass das Angeln hier Volkssport Nummer 1 ist. Überall gibt es Angelausrüstung und -zubehör zu kaufen.

Der Kenai River ist berühmt für überdurchschnittlich grosse King Salmons. An anderen Orten ist bereits ein 25 Kilo-Lachs eine Trophäe. Am Kenai herrscht bei den Anglern erst bei einem 38 Kilo schweren Fang Aufregung. Biologen erklären sich die Grösse nebst genetischen Voraussetzungen damit, dass die Lachse aus dem Kenai River meist ein zusätzlich Jahr im Meer verbringen.

Die meisten Leute angeln vom Ufer aus nach den kleineren Lachsarten. Will man einen King Salmon fangen, empfiehlt es sich einen (teuren)Trip auf einem Motorboot und mit Guide zu buchen. Im Moment ist es am Fluss ziemlich ruhig. Die meisten Angler warten auch hier auf den zweiten Lachszug, der in ungefähr einer Woche erwartet wird.

 

Ein Schnäppchen − Wir fahren weiter zum kleinen Dorf Ninilchik. Es ist der älteste Ort der Kenai Halbinsel. 1820 lassen sich russische Angestellte der Russian American Company, die den Pelzhandel reguliert, hier nieder. Als Russland um 1860 zum Schluss kommt, dass ihr Reich zu gross und somit nicht mehr kontrollierbar ist, und dass der Schiffsverkehr zwischen Sitka (Alaska) und dem russischen Festland zu lang und zu teuer ist, bieten sie Alaska den USA zum Kauf an. Staatssekretär William H. Seward unterschreibt 1867 den Kaufvertrag für $ 7.2 Millionen. Das amerikansiche Volk ist entsetzt über den Kauf von «Seward’s Ice Box». Erst als in den 1890er Jahren Gold und 1968 Öl entdeckt wird, bekommt Seward recht. Russland hingegen wird sich wohl ziemlich ärgern.

Trotz demVerkauf an die Amerikaner blieben auf der Kenai Peninsula einige Russen hängen. Auch hier in Ninilchik ist ihr Einfluss immer noch gross. Die Leute tragen russische Kleider und unterhalten sich in russisch. Auf dem Hügel über dem Dorf steht zudemeine russisch orthodoxe Kirche. Von aussen fallen vor allem die typischen zwiebelförmigen Kuppeln auf. Das Gebäude ist seit kurzem fürs Publikum geöffnet und wir nutzen die Gelegenheit einen Blick in diese für uns eher ungewöhnliche Kirche zu werfen. Es hat keine Bänke, da in den orthodoxen Kirchen nur kranke und alte Leute sitzen. Alle anderen wohnen dem Gottesdienst stehend bei. Die Innendekoration und die Bilder sind farbiger als in unseren Kirchen und dementsprechend wichtig ist die Symbolik der einzelnen Farben. Ein weiteres Merkmal ist das drei Balken-Kreuz. Der oberste Arm über dem normalen Kreuz beinhaltet die Inschrift «Der König der Juden». Der unterste schräge Balken repräsentiert die beiden Diebe, die mit Jesus zusammen gekreuzigt wurden. Jenes Ende, das nach unten zeigt, steht für den Dieb, welcher Jesus auslacht und sagt: «Wenn Du wirklich Christus bist, dann rette Dich und uns.» Das aufwärtszeigende Ende steht für den erfürchtigen Dieb, der sagt: «Jesus erinnere Dich an mich, wenn Du in den Himmel kommst.». So jedenfalls erklärt es uns eine anwesende Frau. Wir haben aber später auch noch eine andere Erklärung zum untersten Balken gelesen. Demzufolge symbolisiert dieser schräge Balken den Übergang von der Hölle zum Himmel. 

Nach der Kirchenbesichtigung gehen wir an den Strand, wo wir hoffen Adler zu sehen. Leider sind diese aber im Moment «ausgeflogen». Wir werden aber trotzdem gut unterhalten. Da sind einerseits die Möwen, die sich laut krähend und streitend über Fischkadaver hermachen und anderseits die Fischerboote, die bei der Hafeneinfahrt auf Grund laufen.

Bei Anchor Point erreichen wir den westlichsten Punkt Nordamerikas, der per Strasse erreichbar ist. Wegen der Wolken können wir die Vulkane Mt. Redoubt und Mt. Iliama auf der gegenüberliegenden Seite des Cook Inlets nur schemenhaft erkennen.