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Bärenland Katmai National Park

A dreamcomes true − Montag, 11. Juli 2005, endlich ist es soweit. Wir fliegen in den Katmai Nationalpark. Lulu ist wegen der vielen, wilden Bären noch etwas skeptisch, für Markus dagegen geht ein langjähriger Traum in Erfüllung. Doch zuerst müssen Joy und wir uns noch etwas gedulden. Pilot Bill, ein ehemaliger Rodeo Bull Rider aus Texas, flog heute früh mit den Tagestouristen in den Park und kehrt nun verspätet zurück. Das Wasserflugzeug landet just in jenem Moment, als wir uns gerade ein Sandwich zubereitet haben. Bill hat daran keine Freude und verlädt unser Gepäck und uns ziemlich harsch und zackig. Ein paar Minuten später heben wir vom Beluga Lake ab.

 

Über den Woken... − Der erste Teil des Fluges führt über Wasser und ist nicht sonderlich interessant. Leichter Dunst verhindert eine klare Sicht und zwingt Bill höher als üblich zu fliegen. Manchmal, so erzählt Bill, kann man vom Flugzeug aus Wale sehen. Wir passieren den Vulkan Mt. Augustine auf der gleichnamigen Insel. Danach folgt ein spektakulärer Abschnitt über die Berge und Täler des Katmai Nationalparks bis zum Brooks Camp am Naknek Lake. Kaum haben wir auf dem Wasser aufgesetzt, entdecken wir bereits die ersten Bären, die am Strand entlang trotten. Ein weiterer Bär geniesst gerade sein Bad an der Anlegestelle von Bald Mountain Air. Geduldig warten wir im Flugzeug ab, bis die Bären den Strand frei geben und wir an Land gehen können. Willkommen im Katmai Nationalpark − dort wo die Bären Vortritt geniessen.

Wie alle Neuankömmlinge müssen auch wir uns einer Bärenschulung unterziehen. In einer 10-minütigen Präsentation werden die Verhaltensregeln im Bärengebiet erläutert. Nach ein paar Testfragen kriegen wir einen Pin und sind ab sofort Freiwild ;-). Klatschend und rufend, um die Bären auf uns aufmerksam zu machen, laufen wir anschliessend zu dritt zum Zeltplatz. Dieser ist zum Schutz vor Bären mit einem Elektrozaun umgeben. Trotzdem darf man keine stark riechenden Utensilien (Zahnpasta, Sonnencrème, ...) oder Nahrung im Zelt lassen. Man verstaut diese Sachen in abschliessbaren Holzhäuschen. Auch das Kochen ist nur an bestimmten Orten erlaubt.

 

Überprüfung des Gelernten − Nach dem Aufstellen des Zeltes begeben wir uns auf den Weg zu den bekannten Brooks Falls. Wir haben kaum die Lodge passiert, als wir auch schon von einem Ranger aufgehalten werden. Bären sind auf dem Fussweg gesichtet worden und wir werden nun auf einem Umgehungsweg an ihnen vorbei geschleust. Aber auch hier kommen uns die Bären (oder wir ihnen) in die Quere. Wir müssen umkehren.

Die an verschienen Punkten positionierten Ranger stehen miteinander in Funkkontakt. So geben sie Informationen über die Bären weiter und warnen die Touristen. Uns fällt in den nächsten Tagen auf, dass die meisten Ranger sehr jung und erst die erste oder zweite Saison im Park tätig sind. Wir haben das Gefühl, dass die unerfahrenen Ranger oft sehr unsicher sind und hektisch, manchmal gar ängstlich reagieren. Dies drückt sich in ihrerStimme und Gestik aus und überträgt sich so natürlich direkt auf die Besucher. Wir verstehen nicht, warum der Park nicht mehr erfahrene Leute einstellt. Sind es Budgetgründe? Erstaunlich ist auch, dass sich die einzelnen Ranger jedes Jahr neu für eine Stelle bewerben müssen. Vielleicht ist es u.a. auch diese Ungewissheit betreffend Zukunft, welche jungen Leuten weniger ausmacht.

Einer dieser jungen und nervös wirkenden Ranger weist uns nun an, zurück zum Fischgebäude zu gehen. Auch Lulu’s Puls beschleunigt sich in der nächsten Sekunde rapide. Sie folgt brav den Anweisungen, als aus einem Busch plötzlich ein Bär in vollem Galopp auf sie zuhält. Erst im letzten Moment schwenkt er ab. Glücklicherweise ist alles gut gegangen. Es waren zwei Halbwüchsige, die sich in ihrem Spieleifer ein Rennen geliefert haben. Wow, das war ein Einstand im Park!! Lulu’s Herz pocht noch immer, so nah wollte sie den Bären eigentlich nicht kommen.

Schliesslich ist die Luft rein und wir machen uns wieder auf den Weg. Eine Holzbrücke führt über die Mündung des Brooks River. An der ersten Aussichtsplattform am See vorbei gehts weiter eine Schotterstrasse entlang. Schliesslich zweigen wir auf einen kleinen Pfad ab, der durch den Wald zu den Plattformen am Brooks River führt. Die letzten rund 200 Meter führen über einen abgesperrten Holzsteg. So sind die Touristen von den Tieren geschützt und die Bären können in Ruhe den frisch gefangenen Lachs fressen oder sich für ein Verdauungsschläfchen aufs Ohr legen. 

 

Schlarafenland − Die erste Aussichtsplattform liegt etwas unterhalb der Fälle. Hier kann man oft Mütter mit ihren Jungen beobachten, die den grossen und agressiven Männchen oben am Wasserfall aus dem Weg gehen.

Von der zweiten Plattform direkt an den Fällen zählen wir zu Spitzenzeiten über zwanzig Bären. Jedes Jahr im Juli kommen hier die Braunbären zusammen, um sich mit frischem Lachs die Mägen voll zu schlagen. Im September, wenn die toten Lachse wieder den Fluss hinunter gespült werden, holen sie sich ein letztes Mal vor dem Winterschlaf ein paar Fische aus dem Wasser.

Jetzt mitten im Hauptlachszug sind genug frische Lachse im Fluss unterwegs. Auf dem Weg zu ihren Laichplätzen müssen sie die rund zwei Meter hohen Brooks Falls überwinden. Bevor sie zum Sprung ansetzen, sammeln sie sich unterhalb der Fälle, wo sie all ihre Kraft (und ihren Mut) zusammennehmen. Jeder Bär hat seine eigene Taktik entwickelt, um Beute zu machen. Stundenlang stehen wir während den nächsten drei Tagen auf den Plattformen und studieren die verschieden Techniken.

 

Die Taktik ist entscheidend − Oberhalb der Fälle stehen meist kräftige, grosse Männchen. Vereinzelt sieht man auch ein mutiges Weibchen oder ein draufgängerisches Jungtier. Diese exklusiven Fishingplätze müssen gegenüber anderen Bären erkämpft und verteidigt werden. Dies geschieht meist auf relativ friedliche Art und Weise. Aufgrund der Körperhaltung und nach einem Fauchen oder Knurren ist die Rangordnung schnell klar. Aber selbst unter den Bären, die sich einen Platz oberhalb der Fälle gesichert haben, herrscht immer noch Missgunst. Wachsam und neidisch beobachten sie des Nachbars Fangerfolg. Einige von ihnen stehen still und warten quasi, bis ihnen der Lachs direkt ins Maul springt. Andere schwenken mit Körper und Kopf hin und her, schnappen nach links und rechts und nehmen auch mal die Pfoten zu Hilfe. Bei einigen hat man gar das Gefühl, dass sie die Fische beschwören würden, genau in ihren Rachen zu springen. Dazu nicken sie ständig mit dem Kopf, als ob sie sagen würden: «So du chlisäs Fischli chum jetz, chum zum Meischter Petz, jo dududu...».

Direkt unter der Fällen sitzen einige Bären im Pool. Zwischendurch halten sie den Kopf unter Wasser und kommen mit einem Lachs zwischen den Zähnen wieder hoch. Wir wissen nicht genau, ob sie durch ihre Körperhaltung eine Art Fischfalle errichten oder ob sie einfach so lange still stehen, bis sie von den Lachsen nicht mehr wahrgenommen werden, um genau dann zuzuschlagen. Wir glauben aber zu erkennen, dass einige der Bären auch einfach nur das kühle «Sprudelbad» geniessen.

Ein weiterer Bär versucht es mit der Sprungtechnik. Er stösst sich mit den Hinterbeinen ab und versucht sich mit den ausgestreckten Vorderpfoten auf den Lachs zu stürzen. Diese Taktik ist zwar nicht sehr erfolgreich, dafür umso unterhaltsamer fürs Publikum. Ebenfalls witzig zu beobachten ist der «Taucher». Bären können schwimmend zwar ausserordentlich weite Strecken zurücklegen (Kodiakbären schwimmen z.B. an die Katmaiküste und paaren sich hier mit den ansässigen Bären), aber als grosse Taucher sind sie nicht bekannt. Unser «Taucher» verschwindet aber jeweils für eine ganze Weile unter Wasser, wo er nach den Fischen Ausschau hält.

Dann gibt’s noch die Variante Diebstahl. Vorallem grosse und kräftige Männchen schüchtern erfolgreiche Tiere ein und übernehmen genüsslich deren frischen Fang. Manchmal genügt auch schon das Betteln. Eine weitere Variante, um an Nahrung zu kommen, ist das Fressen von Resten. Lulu’s Lieblingsbär gehört zur letzten Sorte. Anspruchslos nimmt er jeden dahinschwimmenden Fischresten zu sich. Der arme Kerl entspricht nur etwa der halben Grösse anderer mächtiger Männchen. Aber Lulu’s Ansicht nachhat er das schönste Gesicht, den schönsten Schulterbuckel und das schönste Fell. Sie ist überzeugt, irgend eines Tages wird auch ihr Bär oben an den Fällen stehen. Markus bezweifelt dies zwar, aber Widerspruch wird nicht akzeptiert.

Es ist eindrücklich zu beobachten, wie alles zusammenspielt. Die erfolgreichsten Bären können es sich leisten, nur noch die besten und kalorienreichsten Stücke der Lachse zu verzerren. Am Rest machen sich dann einzelne Jungtiere, Vögel oder eben Lulu’s Lieblingsbär genüsslich.

 

Biologieunterricht − Gewöhnlich bezeichnet man jene Tiere, die mehr als 100 Meilen von der Küste entfernt leben, als Grizzlies. Bären die an der Küste leben und sich unter anderem von Fisch ernähren, gelten als Braunbären. Dank der Eiweiss- und fettreichen Ernährung werden die Braunbären grösser als Grizzlies. Ein männlicher Bär im Katmai kann über 400 Kilos wiegen!! Im Gegensatz zu früher werden heute Braunbären und Grizzlies zur gleichen Spezies gezählt.

Die Paarung efolgt von Mai bis Mitte Juli. Die Jungen werden dann Mitte Winter in der Höhle geboren. Eine Bärenmutter kann bis zu vier Junge pro Wurf haben. Dies ist aber eher selten und noch seltener gelingt es ihr, alle vier durchzubringen. Die Jungen bleiben für zwei Jahre bei derMutter, die während dieser Zeit keine erneute Paarung zulässt. Braunbären graben jedes Jahr eine neue Höhle. In diese ziehen sie sich im November zurückund schlafen bis im April durch. Während dieser Zeit zehren sie von den angefressenen Fettreserven. Die Bären verbringen etwa die Hälfte ihres Lebens in der Höhle!

 

The Caribous − Am Dienstag gehen wir ohne zu frühstücken zu den zwei Meilen entfernten Brooks Falls zurück. Auf dem Weg erkundigen wir uns im Büro der Katmailand Inc., der Betreiberin der Katmai Lodges, nach freien Plätzen für die morgige Tour ins Valley of 10’000 Smokes. Sie ist bereits ausgebucht, aber wir lassen uns auf die Warteliste setzen.

An den Fällen herrscht im Moment noch Ruhe. Wenn um 11 Uhr die Tagestouristen eintreffen, wird es ungemütlicher. Bis zu 40 Leute drängen sich dann auf die Plattform und kämpfen, wie die Bären am Fluss, um den besten Platz. Wir wollen zur Rushhour keine Plätze wegnehmen und kehren daher gegen Mittag zum Campground zurück, wo wir unser «Frühstück» zu uns nehmen. Ein Ehepaar mit ihrer erwachsenen Tocher setzt sich an unseren Tisch und kommt mit uns ins Gespräch. Die Eltern haben beide als Lehrer garbeitet. Heute sind sie nicht mehr in diesem Bereich tätig, sondern kümmern sich vor allem um ihre Immobilien. Da soll noch einer sagen, Lehrer seien schlecht bezahlt ;-). Die Tocher hat die Ausbildung zur Lehrerin gerade erst abeschlossen und wartet nun mal ab, ob sie einen passenden Job findet. In der Zwischenzeit heisst es wohl PKZ (Papa kann zahlen). Die drei sind mit dem eigenen Flugzeug bis nach King Salmon geflogen. Sie haben jeweils die Wahl zwischen zwei Flugzeugen, wenn sie mal wieder «ausfliegen» wollen. Da sein Flugzeug nur zwei Plätze hat, haben sie sich diesmal, da sie zu dritt unterwegs sind, für den Vierplätzer der Frau entschieden. In King Salmon war dann aber Schluss und sie mussten ins öffentliche Wasserflugzeug umsteigen. In Alaska gibt es viele Privatpiloten und es ist nicht aussergewöhnlich, dass diese ein eigenes Flugzeug besitzen... aber gleich zwei Flieger pro Familie?! Obwohl die Familie ganz offensichtlich nicht schlecht gestellt ist, klagen sie über das teure «all you can eat buffet» in der Lodge ($28).

Die Tocher erstaunt uns auch mit ihren Ansichten betreffend den Ölborungen im Arctic National Wildlife Refuge. Sie ist eine Befürworterin des Projekts und begründet dies mit folgender Aussage: «Indem wir dort Gebäude errichten, erhalten die Karibus einen Ort, wo sie sich in den Schatten stellen können. In der Tundra gibt es schliesslich keine Bäume. Die Tiere werden uns dafür lieben!!» Wie bitte?? Sowas kommt aus dem Mund einer Lehrerin! Seit diesem Statement nennen wir die Familie nur noch «the Caribous».

 

Begrenzter Freiraum − Am Nachmittag erfahren wir von Katmailand, dass sie beim Nachzählen gemerkt haben, dass doch noch zwei Plätze für die Valley Tour frei sind. Wir − Lulu mehr als Markus − freuen uns auf die Abwechslung zur Bärenbeobachtung.

Heute zieht es uns aber nochmals zu den Brooks Falls. Nach 16 Uhr verschwinden die Tagestouristen und die Plattform gehört wieder dem «harten Kern». Nach 19 Uhr wenn in der Lodge das Nachtessen serviert wird, sind es nochmals ein paar Leute weniger. Immer wieder trifft man auf den Aussichtsplattformen auf die gleichen Personen und mit der Zeit kennt man sich. Jeder hat seinen Platz, den er bevorzugt und wo er sich mit Stativ und Kamera auf die Lauer stellt. Was da einige Leute an Kameras und Objektiven dabei haben, ist wirklich beeindruckend und kommt der Ausrüstung eines Profifotografen nahe. Wenn man den Wert aller Kameras, Objektive, Videokameras etc. auf dieser Plattform zusammenzählen würde, käme man wohl auf mehrere 10’000 Franken.

Auf dem Rückweg treffen wir den japanischen Wildlife Fotografen Shogo Asan und sein Gefolge. Als ein Bär den Weg entlangtrottet, kann der Fotograf nicht wiederstehen. Trotz Anweisungen des Rangers weicht er nicht zurück und schiesst Fotos. Dieses Verhalten nervt vor allem Lulu. Von den Plattformen aus hat man sehr gute Fotografiermöglichkeiten und trotzdem können es einige Besucher nicht lassen, den Bären (vor allem den Müttern mit ihren Jungen) auch ausserhalb der geschützten Zonen nachzustellen. Die Abstandsregel wird oft verletzt und den Anweisungen von Rangern nur zögerlich Folge geleistet. Natürlich sind die Bären hier an Menschen gewöhnt, aber nichtsdestotrotz sind es wilde und unberechenbare Tiere. Ausserdem findet Lulu, dass die Bären schon von den Plattformen aus genug begafft und fotografiert werden. Wenigstens im Wald, am See oder am Strand könnte man sie doch in Ruhe lassen. Andernseits scheinen sich die vielen Besucher nicht negativ auf den Bärenbestand auszuwirken. Im Gegenteil, in den letzten Jahren hat sich die Zahl der in der Brooks Region lebenden Bären stets erhöht und liegt in diesem Jahr bei über 70 Tieren. Vor allem Mütter mit Jungen und auch verletzte Tiere schätzen die Nähe zu den Touristen, da sie sich dort vermutlich vor den agressiveren Männchen besser geschützt fühlen. Diese fressen nämlich durchaus auch mal ein Jungtier.

Am Abend nehmen wir an einer Infoveranstaltung über Bärenmütter und ihre Jungen teil. Die Caribou Family sitzt natürlich in der ersten Reihe. Als die Frage auftaucht, warum Bärenmütter sich gerne in der Nähe der Lodge aufhalten (s. oben), überlegt sich Lulu folgende Antwort zu geben: «Weil sie sich hier in den Schatten der Gebäude stellen können» ;-). Da sie sich nicht vor dem ganzen Publikum blamieren will, bleibt sie allerdings still.

Nach der Veranstaltung gehen wir zum dritten Mal am heutigen Tag zu den Falls. Im Wald sind ziemlich viele Bären unterwegs. Wir schliessen uns deshalb für den Rückweg anderen Leuten an. In einer Gruppe wirkt man grösser und ist daher besser vor Bärenattacken geschützt.

 

Mama ist die Beste − Am Mittwoch machen wir uns frühzeitig auf die Socken. Der Bus für die Fahrt ins Valley wartet auf der anderen Seite der Brücke und wie wir in den letzten Tagen mehrmals erlebt haben, halten sich in dieser Region gerne Bären auf und sorgen so für Verzögerungen. Doch heute haben wir Glück und kommen ohne Probleme über die Brücke. Kurz darauf ist der Wegabschnitt für fast eine Stunde geschlossen. Eine Bärenmutter mit vier Jungen aus diesem Winter ist unterwegs. Wir können die Familie von der Seeplattform aus beobachten. Wie bei den meisten Vierlingen ist auch hier eines der Bärchen auffallend klein. Er ist der Schwächste und kommt dadurch bei der Nahrungsversorgung zu kurz. Auch sonst ist der kleine Kerl bemitleidenswert. Seine Mutter und Geschwister sind ihm immer einen Schritt voraus und auch im Wasser muss er doppelt so viel paddeln wie die anderen, um nicht unterzugehen. Wir hoffen beide, dass es der kleien «Runner» trotzdem schafft und den Sommer und Winter übersteht. Wer weiss, vielleicht wird auch er mal über den Brooks Falls thronen.

Mütter mit grösseren Jungen, den sogenannten «Yearlings», sind ebenfalls interessant zu beobachten. Man erkennt schon die unterschiedlichen Charakteren der Geschwister. So versucht es etwa der eine, seiner Mutter gleich zu tun und einen Fisch zu fangen, währen sein Bruder noch völlig verspielt mit einem Holzstamm beschäftigt ist. Sobald die Mutter aber einen Fisch gefangen hat, ist der kleine Träumer sofort zur Stelle und schappt ihr unter lautem Knurren und Fauchen den Lachs weg. Unglaublich wie lautstark und mit welcher Bestimmtheit die niedlichen, kleinen Bären ihr Stück Lachs verteidigen. Mehr als einmal zieht bei diesem Kampf die Mutter den Kürzeren. 

Beeindruckt hat uns jene Mutter, die ihre zwei Jungen mit an die Kante des Wasserfalls nimmt und von dort oben einen Lachs nach dem anderen fischt. Das erfolglose Männchen daneben sieht im Vergleich zu ihr wie ein Volltrottel aus. Um sich nicht weiter zu blamieren, trollt er sich davon. Die Mutter fischt erfolgreich weiter und wird nebenbei nicht müde, sich und ihre Jungen gegen viel grössere Bären zu verteidigen.

Wieder eine andere Mutter pflegt ihre Jungen auf einen Baum zu schicken, während sie auf Jagd geht. Die kleinenTeddybärchen hängen teils stundenlang in den Ästen, äugen umher und kommen erst wieder runter, wenn ihre Mama zurück ist. Bei Gefahr bellen sie wie kleine Hunde, worauf die Mutter sofort zu Hilfe eilt.

 

Valley of 10’000 Smokes − Endlich haben es alle Leute, die auf die Valley-Tour kommen, über die Brücke geschafft. In einem alten Schulbus fahren wir bis zum Three Forks Overlook. Eine Rangerin erklärt unterwegs die Entstehung dieser Täler durch Gletscher und die Geologie der Gegend. Nach einem kleinen Snack in einer Cabin beim Aussichtspunkt kann man sich entweder mit der Gruppe oder alleine auf eine Wanderung begeben. Wir starten zu zweit zum Zusammenfluss zweier Flüsse und danach zu einem Wasserfall, wo wir die meisten übrigen Gruppenmitglieder wieder treffen.

Im Juni 1912 brach nach heftigen Erdbeben der Vulkan Novarupta im heutigen Katmai Nationalpark aus. Nur einmal in derGeschichte gab es eine Eruption, bei der mehr Asche ausgespuckt wurde. Das war 1500 v.Chr. in Santorini (Griechenland). Hätte der Ausbruch des Vulkans Novarupta in New York stattgefunden, die Leute in Chicago hätten die Explosion noch gehört. Die Asche bedeckte den Himmel auf der halben Erdkugel und senkte die Temperatur in der nördlichen Hemisphäre um 1°C. Auf Kodiak Island konnten die Leute während zwei Tagen eine Laterne, die sie in Armlänge von sich entfernt hielten, nicht sehen!! 1912 wird immer als das Jahr ohne Sommer in Erinnerung bleiben. Das erstaunlichste aber ist, dass keine einzige Person ums Leben kam. Die in der Region lebenden Indianer ahnten, dass etwas passieren würde und verliessen die Gegend. Sie haben zuvor Tiere beobachtet, die von einem inneren Instinkt getrieben flüchteten.

1916 erkundete Robert Griggs im Auftrag von National Geographic das Valley. Vom Katmai Pass aus blickte er auf tausende von Dampf- und Rauchsäulen, die aus Löchern und Ritzen im porösen Gestein aufstiegen. Seither trägt das Tal den Namen «Valley of 10’000 Smokes». Die Gegend wurde kurz darauf zum National Monument ernannt. 1980 wurde das Schutzgebiet vergrössert und zu einem National Park zusammengefasst. Heute sind die dampfenden Fumarolen erloschen. Geblieben sind interessante Steinformationen und tiefe Schluchten.

Leider reicht die Zeit während dieser Tour nicht aus, um das Valley richtig zu erfassen. Etwas enttäuscht kehren wir zum Bus zurück. Wahrscheinlich kann man die Schönheit, Grösse und Kargheit dieser Landschaft nur auf einem Backcountry Trip erfahren. Im Park hat es übrigens noch 15 aktive Vulkane und die Möglichkeit, dass einer von ihnen ausbricht, lauert ständig unter der Oberfläche.

 

Wild − Wir lassen uns beim Waldweg zu den Brooks Falls absetzen. Es ist unser letzter Abend im Park, das Wetter ist gut und das Licht schön. Wir wollen noch einmal die Bären sehen. Leider springen heute nur vereinzelt Lachse die Stromschnellen hoch. Dafür herrscht unter den anwesenden Bären viel mehr Action. Wir können beobachten, wie sie mit gesenkten Köpfen aufeinander zugehen und fauchend das Maul aufreissen. Manchmal werden sie gar «handgreiflich» und ziehen ihrem Kontrahenten mit den langen Krallen eins über. Bei vielen männlichen Bären erkennt man am Nacken hässliche Wunden und Narben, die sie aus früheren Kämpfen davongetragen haben. Wir verbringen mehrere Stunden bei den Fällen und geniessen das Treiben. Die Rivalenkämpfe bieten ein unglaubliches Spektakel. Nein, das sind definitiv keine abgestumpften Zootiere sondern wilde Bären, die ihrem Urinstinkt folgen. DieserAbend ist der Höhepunkt unseres Parkbesuches und schwer in Worte zu fassen.

 

Bear Encounter − Auf dem Rückweg ins Camp haben wir nochmals ein Nah-Bären-Erlebnis, als uns zwei Junge und deren Mutter entgegengerannt kommen. Wir wollen ihnen den Weg frei machen, gehen dafür ein paar Schritte zur Seite und landen direkt im Sumpf. Durch lautes Klatschen und Rufen machen wir die Bärenfamilie auf uns aufmerksam, um sie mit unserer Anwesenheit nicht zu überraschen. Das erste Jungtier rennt ohne uns zu beachten an uns vorbei. Das zweite verlangsamt seinen Galopp und schaut uns kurz an. Zuletzt folgt die Mutter. Sie hält an und schaut vom erhöhten Pfad auf uns zwei erbärmliche Kreaturen, die wir bis zu den Knöcheln im Sumpf stecken, herunter. Unsere Herzen klopfen bis zum Hals und die Sekunden dehnen sich zu Stunden. Das Adrenalin fliesst und wir fangen erst wieder zu atmen an, als die Bärenmutter locker davontrabt, um ihren Nachwuchs einzuholen.

Wir sind froh, dass diese Begegnung hier im Nationalpark stattgefunden hat. Wer weiss, wie eine Bärenmutter, die noch nie oder nur sehr selten Menschen getroffen hat, in derselben Situation reagiert hätte.

 

Ein WalMart im Nationalpark? − Zum Znacht sitzen wir mit Jason, von dem wir zu diesem Zeitpunkt den Namen noch nicht kennen und der im Verlaufe des Abends den Übernamen WalMart erhält, und einem weiteren Camper (Übername M&M) zusammen. Jason, ein Engländer, hat eine mehrtägige Solowanderung im Valley of 10’000 Smokes unternommen. Er kann uns einige Tipps betreffend Nahrung, Ausrüstung etc. geben.

  

Schon vorüber?! − Am Donnerstag bauen wir am Morgen das Zelt ab, packen die Rucksäcke und deponieren sie bei der Lodge, um für den Rückflug bereit zu sein, sobald wir von den Fällen zurück kommen. Während wir ein letztes Mal die Bären beobachten, merken wir nicht, dass uns unser Feldstecher abhanden kommt. Jemand muss ihn in seine Tasche gesteckt haben. Obwohl wir bei den anwesenden Leuten nachfragen, kommt er nicht wieder zum Vorschein. Nun, wir dürfen keine weitere Zeit verlieren und müssen los, wenn wir das Flugzeug noch erreichen wollen. Bei der Brücke ist aber vorläufig Ende. Ein Bär hat sich neben dem Weg schlafen gelegt und verhindert jeglichen Fussverkehr. Joy, die ebenfalls hier feststeckt, ist sichtlich froh uns zu sehen. Sie hatte schon befürchtet die einzige zu sein, die sich für unseren Flug verspätet. Im Gegensatz zu uns, muss sie allerdings nochmals zurück zum Campground, um das Zelt abzubauen.

Als wir schliesslich alle beim Wasserflugzeug eintreffen, ist Bill, der Pilot, schon etwas ungeduldig und genervt. Zu fünft (Bill, Joy, Jason und wir) heben wir ab. Das Wetter ist perfekt und wir können den fast zweistündigen Flug so richtig geniessen. Unglaublich welche Farben und Muster man von hier oben entdeckt.

 

Katmai in der Schweiz? − Ein Abenteuer ist zu Ende. Markus’ Traum ist in Erfüllung gegangen. Gerne hätte er aber noch ein paar Tage angehängt. Auch Lulu hat es gut gefallen, doch sie sieht nicht alles so rosig. Ist der zunehmende Tourismus (die Tagestouristen − bis 200 Leute täglich − sind im Gegensatz zu den Overnightern nicht limitiert) auf Dauer nicht schädlich für die Bären? Wird der Park am Ende nicht einfach zu einem Zoobesuch degradiert? Bei so vielen Leuten und all den surrenden Kameras geht doch etwas von der Magie des Ortes und der einzigartigen Tiere verloren. Nichtsdestotrotz gab’s natürlich tolle und spannende Momente. Die Möglichkeit wilde Bären so nah zu beobachten, hat man wohl nicht oft im Leben. Laut den neusten Medienberichten, die wir im Internet gelesen haben, soll es nun aber auch in der Schweiz wieder soweit sein. Ja, der Braunbär ist zurück :-)!!