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Run am Kenai River

Es werde Nacht − Auf dem Parkplatz oberhalb von Homer, wo wir vor etwa einer Woche die Bulgaren getroffen haben, kochen wir ein Chili. Es schmeckt so gut, dass entgegen unserer Planung keine Resten für den nächsten Tag übrig bleiben. Zurück auf der Strasse sehen wir unser erstes Stachelschwein. Leider verschwindet das Tier schnell wieder im Dickicht, so dass wir es nicht richtig betrachten können. Wir sind jedoch beide erstaunt, wie gross diese lustigen Kreaturen sind.

Bei Anchor Point halten wir Ausschau nach den beiden Vulkanen Redoubt und Iliama. Diesmal ist die Sicht klar und wir können sie tatsächlich im Abendlicht sehen. In Ninilchik entdecken wir den Mond am Himmel. Ein Zeichen dafür, dass der Sommer langsam zu Ende geht. Während den langen Sommertagen war der Himmelstrabant nämlich nicht sichtbar. Etwas ausserhalb des Dorfes übernachten wir endlich wieder einmal in Nanuq.

 

Selbstversorgung − Am Montag, 18. Juli 2005 biegen wir in Crooked Creek, etwa 24 km vor Soldotna, zu Harriot’s Haus ab. Jason hat die über achtzigjährige Frau beim Angeln kennengelernt. Als wir in die Auffahrt einbiegen, steigt Jason gerade in seinen Van, um in die Stadt zu fahren. Er freut sich, uns wieder zu sehen und stellt uns Harriot vor. Die vife Dame lädt uns ein, auf ihrem Areal zu parkieren und am Abend zum Essen rüber zu kommen. Zu diesem verlockenden Angebot sagen wir natürlich nicht nein.

Zuerst wollen wir aber nach Kasilof Beach fahren, um den Einheimischen beim Dip Netting zuzuschauen. Während einer gewissen Zeitperiode ist es den Alaskanern erlaubt mit grossen Netzen an langen Stöcken auf Lachsfang zu gehen. Eine Fangtechnik, die ursprünglich von den Natives entwickelt wurde. Erlaubt sind maximal 25 Lachse für den «Chef» des Haushaltes und 10 weitere für jede im gleichen Haushalt lebende Person.Lachs bereichert den Speisezettel vieler Alaskaner während den langen Wintermonaten. Im Nieselregen beobachten wir das blutige Treiben. Die meisten nehmen ihre Fische nämlich gleich vor Ort aus. Das Dip Netting ist ein Familienanlass. Männer und Frauen, Grosseltern und Kinder, alle sind sie anwesend. Die einen stehen mit dem Netz in der Hand im Wasser, die anderen warten am Strand, wo sie den frisch gefangenen Lachs töten und filetieren. Danach verschwinden die Fische in Schubkarren oder Coolern, wobei letztere gleichzeitig auch als Sitzgelegenheit dienen.

Auf dem Rückweg halten wir in Soldotna, wo wir uns auf die Suche nach Gummistiefeln machen. Am Donnerstag wollen wir mit Jason und Harriot am Kenai River fischen gehen und dabei trockene Füsse behalten. Leider finden wir heute nichts Passendes. Nun, wir haben ja noch zwei Tage Zeit.

 

Hans Dampf in allen Gassen − Bei Harriot geniessen wir zu viert ein feines Znacht mit King Salmon, Maiskolben, Broccoli und Cole Slaw. Nur Trevor, Harriot’s Puddel, der wegen des Besuchs ganz aufgeregt ist, darf nur zuschauen. Immerhin kann er sich nicht über zu wenig Streicheleinheiten beklagen. Nach dem Essen bleiben wir noch lange sitzen und diskutieren über alles Mögliche. Harriot ist für ihr Alter immer noch sehr aufgeweckt, interessiert und humorvoll. Auch ihr Leben verlief abwechslungsreich. So war sie zum Beispiel Model in New York und Militärkrankenschwester während des 2. Weltkriegs am Lake Tahoe. Heute verbringt sie den Sommer in Alaska, wo sie leidenschaftlich gerne angelt und im Winter geniesst sie das warme Klima von Texas. Harriot kleidet sich oft farbig und setzt sich extravagante, grosse Hütte auf. Dazuschwingt sie gerne das Tanzbein. Es scheint, als ob diese Frau mit über achtzig Jahren mehr Energie versprüht als wir.

 

Sackgumpä − Am Dienstag verabschieden wir uns vorläufig von Harriot und Jason. Dieser hat für heute und morgen einen Fishing Trip gebucht, von dem er hoffentlich mit einem grossen King Salmon zurückkehrt. In Gedanken siehr er sich und seinen rekordverdächtigen Fang bereits in der Zeitung abgebildet. Wir verlassen Crooked Creek in Richtung Kenai, wo wir an der Mündung des Kenai Rivers noch einmal das Dip Netting beobachten wollen. Auch hier herrscht ein riesiger Volksaufmarsch. Viele haben sich gleich häuslich niedergelassen und übernachten in ihren Campern oder in einem Zelt am Strand vor Ort.Am Tag sitzen Familien und Freunde gruppenweise um und auf Coolern zusammen. Die Alaskaner sind sehr erfinderisch wenn es um ihre liebste Freizeitbeschäftigung, dem Fischen, geht. Jemand hat zum Beispiel ein altes Bügelbrett mitgenommen und im Sand aufgestellt. So muss er sich beim Filetieren des Lachses nicht mehr auf den Boden knien, sondern kann alles bequem im Stehen erledigen. Andere haben ihre Schneebobs mitgebracht, worin sie den frischen und fein säuberlich aufgetürmten Lachs hinter sich herziehen können.Leider werden wir aber auch Zeugen von brutalen Gepflogenheiten. Ein paar Natives töten die gefangen Lachse nicht, sondern stecken sie lebendig in einen Juttesack. Dort drin zappeln sie nach Luft schnappend noch lange herum und lassen den Sack auf und ab hüpfen. Erst nach ein paar Minuten werden die Zuckungen träger und die Lachse sterben schliesslich. Uns tun diese Fische leid, denn dies ist sicherlich ein quallvoller Tod. Wir lassen uns sagen, dass diese Methode auf eine lange Tradition zurückgeht und daher noch immer praktiziert wird. Aber nicht nur die Natives behandeln die Fische respektlos. Lulu beobachtet einenMann, der den noch lebendigen Fisch mit Fusstritten und -kicken den leicht abschüssigen Strand hochbringt. Ihr vergeht dabei fast die Lust an frischem Lachs und am geplanten Angeltrip.

 

Scheue Männchen − In Kenai besuchen wir nebst dem Strand, die russische Kirche und die St. Nicholas Kapelle vis-à-vis. Hier treffen wir zwei Touristen aus der Schweiz. «Ändläch wiedermou Bärndütsch, soo schön!» Im nahegelegenen Visitor Center besichtigen wir im Anschluss eine Ausstellung von lokalen Künstlern.

Im Discounter «Three Bears» stocken wir relativ preisgünstig unsere Lebensmittelvorräte auf. Danach fahren wir die Marathon Road ab. Hier soll man laut der Dame aus dem Visitor Center gute Chancen haben, Elche zu erblicken. Leider haben wir einmal mehr kein Glück. Wir müssen wohl blind sein oder unser Auto zu laut. Denn jedesmal wenn wir Einheimische fragen, wo man eventuell Elche sichten kann, sagen sie «they are just everywhere». Joy und Harriot erzählten uns sogar, dass sie nachts regelmässig Elchbesuch im Garten haben. Leider nicht so, wenn wir da sind. Immerhin konnten wir heute morgen auf dem Weg nach Kenai einen flüchtigen Blick auf eine Elchmutter mit ihrem Jungen erhaschen, bevor sie im Dickicht verschwanden. Eine andere Elchkuh hielt so lange still, dass es sogar für ein Foto reichte. Wir warten aber immer noch auf den ersten, grossen Elchbullen mit Riesengeweih. 

Bei einem Rampenverkauf in Soldotna erstehen wir neue Jeans für $ 10 und im Heilsarmeeshop ein paar Fischerstiefel für $ 8. Danach arbeiten wir im Café bei Fred Meyer an unserer Homepage und nutzen den Parkplatz als Nachtlager. Lange ist’s her, dass wir zum letzten Mal «24» geschaut haben. Mit der heutigen Episode sind wir genau in der Hälfte der ersten Season angelangt. Die Handlungen werden immer spannender und es ist schwierig, nach einer Stunde abzuschalten. Zum Glück zwingt uns die Batterieleistung des Notebooks automatisch dazu Mass zu halten ;-)

 

Schweizer Küche − Am Mittwoch arbeiten wir im «Fredy» weiter. Nach dem Mittag treffen wir zufällig auf Jason. Seine Fishing Trips waren leider nicht von Erfolg gekrönt. Er überlegt sich nochmals einen Versuch zu machen und einen weiteren Tag zu buchen.

Wir bieten an, heute Abend für ihn und Harriot zu kochen. Zuerst denken wir an Pepperonifleisch aber die Zutaten dazu sind nur schwer zu finden und sehr teuer. Deshalb ändern wir kurzfristig den Menuplan und entscheiden uns für etwas typisch schweizerisches: «Älplermacccaroni». Das Gericht schmeckt sehr gut und auch Harriot und Jason scheint es zu munden, worüber wir natürlich froh sind. Zur Feier des Tages wird sogar eine Flasche Wein geöffnet.

 

Trockenübung − Angesichts der Tatsache, dass wir morgen früh angeln gehen, werden nach dem Essen schon bald die Lichter gelöscht. Vorher geht Harriot aber nochmals gewissenhaft die Ausrüstung durch und bereitet ein paar zusätzliche Haken vor. Es wäre ja zu ärgerlich, wenn wir morgen vor einem Fluss voller Lachse stehen würden und zu wenig Haken dabei hätten. Für Lulu und Markus gibts währenddessen noch ein paar Trockenübungen. Jason bringt uns in der Hauszufahrt die spezielle Wurf- und Angeltechnik des Lachsfischens bei. Im Gegensatz zum normalen Fischen wird die Schnur dabei nicht weit ausgeworfen und danach mittels der Spule wieder eingerollt.Nein, beim Lachsfischen wird die Schnur nur eingezogen wenn man einen Lachs an der Angel hat. Vielmehr ist es ein ständig wiederkehrenden Rythmus und fliessender Ablauf. Das heisst man wirft die Schnur etwas stromaufwärts auf, lässt den Haken von der Strömung etwas flussabwärts tragen, zieht am Ende die Schnur mit einem Ruck aus dem Wasser, um sie gleich wieder mit einer fliessenden, runden Bewegung über dem Kopf wieder flussaufwärts auszuwerfen. Mit der einen Hand hält man dazu die Angel, mit der andernen die Schnur. So kann man ihr je nachdem etwas mehr oder weniger Spiel geben. Da die Lachse, sobald sie vom Salzwasser in den Fluss zurückkehren, nichts mehr fressen, braucht man keinen Köder an den Haken zu hängen. Man schmückt ihn nur mit einem kleinen Faden, da es von «Fish and Game» verboten ist mit leeren Haken zu fischen. Ziel ist es nun, den leeren Haken vor dem Maul des Lachses durchzuziehen, bis dieser, davon gekitzelt, entnervt zuschnappt.

 

Jetzt gilt es ernst − Um 3 Uhr Morgens ertönt das schreckliche Geräusch eines Weckers... und um 4 Uhr sind wir unterwegs zum Fluss. Trotz der Frühe sind wir nicht ganz die ersten. Während Markus und Jason noch an den Angeln rumbasteln, platziert Harriot Lulu zwischen sich und einen anderen Fischer und drückt ihr die Angel in die Finger. Lulu versucht so gut als möglich, die gestern gelernte Angeltechnik umzusetzen. Sie fühlt sich aber aus zwei Gründen unwohl. Erstens möchte sie eigentlich gar keinen Lachs fangen, damit er kurz vor seinem Ziel nicht getötet werden muss und zweitens ist es ihr zu eng. Sie hat Angst, bei ihrer noch etwas ungeschickten Wurftechnik den Fischer neben sich aufzuhacken. Als dann auch noch Markus seinen Platz zwischen ihr und Harriot zugewiesen bekommt, ist es Lulu definitiv zu viel. Die von beiden Seiten um ihren Kopf herumschwirrenden Hacken sind ihr nicht geheuer. Sie begibt sich lieber auf eine Fototour, auf der sie einige hübsche Blumen mit Morgentau erwischt. Markus geniesst den grösseren Bewegungsfreiraum und versucht unermündlich einen Lachs an Land zu holen. Leider ohne Erfolg. Auch Harriot und Jason kämpfen. Sie sind weit entfernt von den sechs Lachsen in 15 Minuten, wie sie es noch am Abend zuvor prophezeit haben. Endlich, Harriot hat einen am Hacken und später kann sich auch Jason zu den Glücklichen zählen. Diese beiden Lachse sollen aber die einzigen bleiben, die wir an diesem Tag fangen. Markus gibt aber immer noch nicht auf. Selbst als Jason Harriot nach Hause bringt, macht er weiter und auch Lulu schwingt, nach einem kurzen Nickerchen im Gras, noch einmal die Route ... erfolglos. Tröstlich ist, dass es auch den meisten erfahrenen Fischern ähnlich geht. Wahrscheinlich haben kommerzielle Fischerboote draussen an der Mündung den Fluss leergefischt. Und so verlassen auch wir nach zehn Uhr den Kenai River. Markus weiss zwar leider immer noch nicht, wie es sich anfühlt mit einem Lachs zu kämpfen aber immerhin konnte er am eigenen Leib erfahren, wie kalt das Wasser ist. Seine vorgestern gekauften Occassion-Fischerstiefel haben nämlich ein Leck. :-)

In Soldotna finden wir uns einmal mehr bei «Fredy» ein. Auf dem dortigen Parkplatz treffen wir immer wieder Touristen aus den «Lower 48», aus Deutschland und der Schweiz. Sie kommen jedes Jahr ein paar Wochen extra fürs Fischen hier hoch. Mit x-Kilo Lachs im Gepäck kehren sie danach wieder in ihre Heimat zurück. Dort verkaufen sie den Lachs wahrscheinlich an Freunde und Bekannte und finanzieren sich so einen Teil ihrer nächsten Reise. Fischen ist ja schön und gut aber nur dafür nach Alaska zu kommen? Wir finden das «Land» hat noch viel mehr zu bieten.

 

Die mit dem Wolf tanzt − Auf dem Weg zu Harriot besuchen wir eine Frau, die Wölfe und Wolf-Hund Mischlinge als Haustiere hält. Sie nimmt sich für die Führung viel Zeit und gibt zu den verschieden Wölfen und Hunden interessante Erklärungen. Wir haben aber trotzdem Mühe, den Unterschied zwischen den Wölfen, den Mischlingen und den Hunden zu verstehen. Was für uns wie ein echter, wilder Wolf aussieht, ist nur ein Mischling. Ein anderer, den man uns als Schlittenhund verkaufen könnte, ist dafür angelblich ein 100% Wolf. Cool, da können wir ja von nun an sagen, einen Wolf gestreichelt zu haben!! :-)

 

Erfahrung oder Aberglaube? − Harriot ist nicht zu Hause, als wir dort ankommen. Sie ist wie jede Woche im Square Dance. Schliesslich kehrt sie fein säuberlich herausgeputzt zurück und wir verbringen einmal mehr zu viert einen gemütlichen Abend. Dabei ist Fischen das grosse Thema. Harriot hat in der Zwischenzeit von einem Bekannnten erfahren, dass die Fischerboote seit Dienstag Nachmittag draussen vor der Mündung sind und dies auch bis Freitag Abend bleiben dürfen. Das bedeutet, dass bis Samstag Abend wohl weiterhin kaum mit Fischen im Fluss gerechnet werden kann. Die Netze der Fischerboote fangen praktisch alle Lachse ab, die in den Fluss «einbiegen» wollen.Wir finden dies unfair gegenüber den vielen Touristen, die extra zum Angeln hierherkommen und teilweise (wie z.B. Jason) sogar einen Fishing Trip mit dem Boot buchen. Immerhin kosten diesepro Person zwischen $ 150 (halbtags) und $ 250 (ganztags). Jason ist glücklich. Er konnte sich für nächsten Dienstag nochmals einen Platz im Boot ergattern. Bis dahin werden die Lachse zurück im Fluss sein. Zusammen mit Harriot fachsimpelt er nun darüber, welcher Platz im Boot wohl am erfolgsversprechendsten ist. Tja, Fischer unter sich... ;-)

 

No Trevor, no!! − Am Freitag können wir Harriot’s Haus für Computerarbeiten nutzen. Dazwischen legen wir immer wieder Spieleinlagen mit Puddel Trevor ein. Ihm fehlt ganz offensichtlich eine Freundin ;-)

Nach einem weiteren super Abend mit Jason und Harriot und einer weiteren Nacht im Auto vor Harriot’s Haus verabschieden wir uns von den beiden. Jason werden wir hoffentlich am Mittwoch mit einem Rekordfisch in der Zeitung sehen :-)