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Hauptquartier in Anchorage

Was wären wir ohne WalMart... − Am Montag 25. Juli fahren wir nach Girdwood, einem typischen Winterskiort. Wir versuchen die beiden Weltreisenden, die wir in Hope kennengelernt haben und in Girdwood wohnen, per Telefon zu kontaktieren. Leider ist niemand zu Hause und so fahren wir unverrichteter Dinge weiter nach Anchorage. Hier wollen wir unseren Lebensmittelvorrat aufstocken und Nanuq’s Starterproblemen auf den Grund gehen. Man muss neuerdings den Schlüssels mehrmals drehen, bis der Motor schliesslich anspringt. Einmal mehr während unserer Reise taucht im richtigen Moment die richtige Person auf. David, ein Psychologe, spricht uns auf dem WalMart Parkplatz an. Er hatte früher ebenfalls einen Land Rover und interessiert sich dementsprechend für Nanuq und mit zunehmender Dauer des Gesprächs auch für uns und unsere Reise. David gibt uns die Telefonnummer seines Freundes Jason in Wasilla an. Jason ist Automechaniker und ein grosser Fan von französischen Autos. Er wird uns mit Nanuq und dessen Peugeot Motor sicher helfen können.

 

...und Fred Meyer? − Die Nacht verbringen wir auf dem Parkplatz vor Fred Meyer, da die WalMart Parkplätze in Anchorage für Camper tabu sind. So jedenfalls liessen wir es uns von Jason (WalMart) sagen, der praktische Erfahrung damit gemacht hat ;-) Bei Fred Meyer scheint es jedoch erlaubt zu sein. Der junge Profifotograf Benjamin D. Walls und seine Freundin übernachten ebenfalls hier. Sie schenken uns ein paar Eier, Confi und Muffins, da sie morgen für ein paar Tage in den Katmai Nationalpark fliegen und für die Lebensmittel somit keinen Gebrauch mehr haben. Die beiden scheinen eine noch chaotischere und kurzfristigere Vorbereitung zu pflegen als wir. So wissen sie zum Beispiel nicht, ob es im Katmai Nationalpark Einkaufs- (nein) und Duschmöglichkeiten (ja, aber $ 7) gibt. Wir geben ihnen Tipps für den Katmai Nationalpark und erhalten im Gegenzug Infos zum Denali Nationalpark. Als Profifotograf kann man sich dort unter bestimmten Auflagen (gewisse Anzahl veröffentlichter Fotos etc.) für eine Sonderbewilligung bewerben. Diese werden unter den erfolgreichen Bewerbern verlost und erlauben es den glücklichen Fotografen, den Denali Nationalpark mit dem eigenen Fahrzeug zu befahren. Die Dauer und die Daten werden einem zwar zugeteilt aber man geniesst damit natürlich trotzdem ein hohes Mass an Freiheit und Flexibilität. Nun, davon können wir als normale «Touristen-Knipser» nur träumen. 

 

Ohne Fleiss kein Preis − Während den nächsten Tagen sind wir oft im Bücherladen Barnes & Nobles anzutreffen. Dort nutzen wir die gemütliche Leseecke, um die Homepage aufzuarbeiten. Wir werden für das wochenlange Nichtstun bestraft. Stundenlang sitzen wir vor Papier und Computer, schreiben unsere Abenteuer der vergangenen Wochen nieder und sortieren und bearbeiten Bilder. Am Abend ist die Ernüchterung jeweils gross, wenn wir feststellen, dass sich der Fortschritt trotzdem in Grenzen hält. Da wir «nur» einen Computer zu Verfügung haben, ist unsere Arbeitsweise nicht sehr effizient. Während einer die Reiseberichte von Hand schreibt, tippt der andere diese fortlaufend in den Computer ein oder erledigt sonstige Unterhaltsarbeiten für die Homepage, wie z.B. der Aufbau der Bildergallerie. Damit wir in Zukunft die Berichte gleich direkt am Computer erfassen könnten, klappern wir auf der Suche nach einem einfachen und billigen Notebook alle Occassionscomputerläden der Stadt ab. Unsere Preisvorstellungen stellen sich allerdings als utopisch heraus. Wir finden zwar ein altes Model für nur $ 49, dieses hat aber keine Software installiert, keinen USB Anschluss und auch kein CD-Rom Laufwerk. Wäre zumindest Windows installiert, könnten wir den Text im Notizblock erfassen und allenfalls via Diskettenlaufwerk transferieren, aber so...? Die anderen Modelle sind alle über $ 300. Dies übersteigt unser Budget und wir sehen uns daher gezwungen, weiterhin Handarbeit zu verrichten.

Zwischendurch brauchen selbst die fleissigsten Arbeiter eine Pause :-). Wir verbringen diese bei einem Einkaufsbummel. Lulu ersetzt ihre ausgelatschen und löchrigen Schuhe mit zwei Silberpfeilchen aus der Bubenabteilung (in der Damenabteilung gefällt ihr nichts und bei den Herren ist alles zu gross). Und im REI kaufen wir einen neuen Feldstecher, nachdem unsere Suche nach einem passenden Gerät in den Secondhand- und Pawnshops erfolglos war.

 

Kein Popcorn-Kino − Am Mittwochabend gehen wir ins Bear Tooth Theatre Pub. Es gehört dem gleichen Besitzer wie das Moose’s Tooth, wo wir vor unserem Trip auf die Kenai Peninsula Pizza gegessen haben. Die Besonderheit des Bear Tooth ist das angegliederte Kino. Vor dem Beginn des Films gibt man seine Bestellung auf und bekommt dann das Essen ins Kino serviert. Vor den Sesseln hat es lange Tische auf denen man die Leckereien während des Films verzehrt und unter welchen man die Beine so richtig schön ausstrecken kann. Uns gefällt diese Art von Kino und auch der Film «a lot like love» ist trotz voraussehbarem Ende recht witzig und unterhaltsam.

 

Ins Wasser gefallen − Nach dem Film fahren wir nochmals zum Barnes & Nobles, wo wir weiter an unseren Texten arbeiten und uns kurz mit David, dem Psychologen vom WalMart Parkplatz, treffen. Wir geben ihm ein ausgeliehenes Buch zurück. Es handelt sich um die wahre Geshichte eines jungen Ehepaares, welches in einem uralten Auto von Südamerika bis nach Alaska gefahren ist. David hat die Leute persönlich kennengelernt und dachte sich, dass uns diese Geschichte ebenfalls gefallen würde.

David lädt uns am nächsten Wochenende auf sein Segelboot in Whittier ein. Wir vereinbaren am Freitag nochmals Kontakt aufzunehmen, um zu sehen, was das Wetter macht und allenfalls die Details zu besprechen. Leider erhalten wir zwei Tage später ein E-Mail. David muss kurzfristig nach Cordova, womit vorläufig nichts aus der Segeltour wird.

 

Schachmatt − Jeweils am Donnerstagabend versammeln sich in der Leseecke des Barnes & Nobles die Schachfanatiker von Anchorage. Barnes & Nobles dient als ihr Klublokal. Auf den Tischen rollen sie ihre Spielfelder aus, stellen die Figuren auf und spielen was das Zeug hält. Von sieben bis zehn Uhr treten sie in einem Tourniermodus gegeneinander an. Pro Paarung werden jeweils 2 x 10 Minuten gespielt. Damit alles mit rechten Dingen zu und her geht, platzieren sie neben dem Spielfeld eine Uhr, auf die sie dann in regelmässigen Abständen draufhauen: «tag, tag, tag, tag». Obwohl uns der Lärm ein wenig nervös macht, finden wir es toll, dass Barnes & Nobles diese Tourniere gestattet und dafür den Platz und die Tische zur Verfügung stellt. Nicht nur die Schachspieler und wir profitieren von dieser Einrichtung. Während der Woche fällt uns auf, dass wir immer wieder die gleichen Gesichter in der Leseecke antreffen. Einige lesen ganze Bücher, studieren die neusten Magazine oder die Zeitung und andere treffen sich, um miteinander zu lernen. Es ist sogar erlaubt, Getränke und Essen mitzubringen. Zwischendurch sorgt aber auch das Starbucks Coffee vom anderen Ende des Ladens für Erfrischung. Angestellte machen die Runde mit Gratismüsterchen von Mocca-, Caramel- und Erdbeershakes. 

 

Nanuq der Verkuppler − Am Samstag steht im Barnes & Nobles plötzlich ein junger Mann vor uns. Er muss uns kurz auf die Sprünge helfen, bis wir ihn einordnen können. Skip hat uns auf dem Parkplatz vor dem Bear Tooth angesprochen und unsere Webadresse verlangt. Nun hat er im Vorbeifahren Nanuq vor Barnes & Nobles stehen sehen und spontan angehalten. Wir sind froh, dass er das getan hat. Denn bei unserem ersten Treffen waren wir etwas kurz angebunden (shame on us), da wir gerade mit dem Aufspüren eines Internetsignals beschäftigt waren. Das verpasste Gespräch holen wir jetzt nach. Wir plaudern lange mit Skip und tauschen Erlebnisse und Erfahrungen aus. Er ist in Alaska aufgewachsen und später fürs Studium nach Seattle gezogen, wo er immer noch lebt und als Schreiner und Doorman arbeitet. Letztereröffnet den Bewohnern eines Hauses mit Eigentumswohnungen die Eingangstüre, hält ihnen die Post entgegen und bestellt den Lift. Er kennt die Wüsche und Macken der Leute und behandelt und umsorgt sie dementsprechend. Im Sommer wohnt er in seinem selbst umgebauten Van, im Winter kann er die Wohnung seiner Eltern mieten, die während dieser Zeit nach Caliornien ziehen. Diesen Sommer ist er nach Anchorage gekommen, um alte Freunde zu besuchen und für einige von ihnen ein paar Arbeiten zu verrichten. Wir verstehen uns sofort sehr gut und gehen deshalb zusammen etwas essen. Natürlich ist das Moose’s Tooth wieder überfüllt und wir müssen 40 Minuten warten, doch diese Pizzas sind es wert! Wir verlassen das Restaurant erst, als es seine Tore schliesst und verabreden uns gleich wieder für morgen. Skip will uns dann ein selbstentworfenes Konstrukt aus Zeltstoff und –stangen mitbringen, welches wir als Regenschutz beim Kochen über Nanuq’s Hintertüre spannen können.

Wie sich herausstellt, ist das Konstrukt genau so, wie wir es uns vorgestellt haben. Platzsparend, schnell aufgebaut und effektiv. Wir sind Skip sehr dankbar. Von nun an müssen wir nicht mehr auf trockenes Brot ausweichen, wenn es regnet.

Zusammen besuchen wir einen Militärliquidationsshop und fahren anschliessend in die Innenstadt, wo wir im Snow City Café zu Mittag essen. Während Markus ganz gesund einen Salat bestellt, wählen Skip und Lulu ein leckeres Frühstück (wird hier auch zur Mittagszeit noch serviert) mit vielen Eiern. Zur Verdauung begeben wir uns danach auf einen Spaziergang durch Quartierstrassen in der Umgebung des Elderberry Park und entlang des Tony Knowles Coastal Trail. Unterwegs treffen wir zwei asiatische Flightattendants, die verzweifelt etwas Natur in der Stadt suchen. Auf einem Stadtplan zeigen sie auf einen Park und den dort abgebildeten Elch. Eine der Frauen sagt: «We want to see this moose». Skip antworetet humorvoll: «He is not there today.» Die beiden Asiatinen nehmen dies voller Ernst auf und sind ganz enttäuscht. Natürlich hilft ihnen Skip doch noch weiter und weist ihnen den Weg zum Park. Wer weiss, vielleicht haben sie ja Glück und sehen tatsächlich einen Elch. Zurück bei unseren Autos verabschieden wir uns von Skip. Wir freuen uns schon jetzt darauf, ihn in Seattle wiederzusehen.

Wir begeben uns ein letztes Mal zu Barnes & Nobles. Es bleibt noch einiges zu tun. Bevor wir morgen weiterfahren, wollen wir die Homepage live schalten. Leute wie Skip, die unsere Homepage lesen, geniessen und dies uns auch mitteilen, sind Motivation genug fürs Weiterschreiben.