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Dawson City: Glanz vergangener Zeiten

Zurück in Canada − Am Morgen gilt es ernst. Der Grenzübertritt nach Canada steht bevor. Nachdem wir am Abend zuvor noch gescherzt haben, hoffen wir nun, dass er ohne Komplikationen abläuft. Vor uns werden zwei Californier mit einem Anhänger durchsucht. Der Beifahrer lässt ein paar dumme Bemerkungen gegenüber der Beamtin fallen, was diese dazu veranlasst, die beiden Kerle noch genauer unter die Lupe zu nehmen. Das Prozedere dauert an. Als wir schliesslich an die Reihe kommen, befürchten wir von der scheinbar übelgelaunten Grenzwächterin Böses. Zu unserer Überraschung behandelt sie uns aber äusserst freundlich und nimmt ohne zu zögern das weisse Papier mit der sechsmonatigen Aufenthaltsbewilligung für die USA aus dem Pass. Wir sind zufrieden, denn das bedeutet, dass wir bei erneuter Einreise in die USA nochmals sechs Monate Aufenthaltbewilligung beantragen können.

 

Goldrausch − Zwischen Fairbanks und Dawson City liegen hunderte von Kilometern und noch immer stecken wir im Rauch. Diese Fläche ist einfach unvorstellbar! Trotzdem lassen wir uns die Laune nicht verderben und nehmen an einem geführten Stadtrundgang zu Fuss teil, auf dem wir viel über die Geschichte des Ortes erfahren. Dawson City wurde 1896 zum Mekka der Goldgräber nachdem am Rabbit Creek (später umgetauft in Bonanaza Creek), einem Zufluss des Klondike River, Gold gefunden wurde. Von den über 100’000 Menschen, die voller Hoffnung auf schnellen Reichtum, den beschwerlichen Weg nach Norden auf sich genommen haben, erreichten nur 30-40% ihr Ziel. Und die meisten von ihnen mussten bei ihrer Ankunft feststellen, dass die besten Claims schon vergeben waren. So endeten die meisten als einfache Arbeiter, die unter miserablen Bedingung für einen der glücklichen Claimholder schufteten. 1898 wuchs die Stadt auf über 30’000 Einwohner an und war damit vorübergehend die grösste Stadt nördlich von Vancouver. Der Boom dauerte nur ein paar Jahre und schon bald schrumpfte Dawson City wieder zum Dorf. Erst in den 60er Jahren erlebte es eine Wiederbelebung, als man unter der Regie von Parks Canada die historischen Gebäude im Stadtkern renovierte oder originalgetreu wieder aufbaute. Je mehr wir während unserer Reise mit dem Goldrausch in Berührung kommen und je mehr wir darüber erfahren, desto mehr fasziniert er uns. Es ist unglaublich, was während der kurzen Zeitperiode alles geschehen ist. All die Städte, die aus dem Nichts entstanden und förmlich explodierten. All das Leid, dass die Goldsucher auf ihrem Weg zu den Goldfeldern erfahren mussten. Und schliesslich die ganz wenigen Gewinner des «Spiels». Dazu zählten nur wenige Goldsucher sondern vielmehr Leute mit Geschäftssinn. Solche, die einen Saloon oder Laden eröffneten oder die Damen aus den Rotlichtquartieren. Die Wenigen, die beim Goldschürfen erfolgreich waren, gaben dass Geld oft gleich wieder aus. Sie ahnten nicht, dass ihre Quelle einmal versiegen würde. 1900 betrug die Ausbeute an Waschgold im Yukon Territory noch fast 34’000 kg. Heute sind es jährlich nur noch 2’200 kg.

Die Führerin des Stadtrundgangs, welche in Kleidern von anno dazumal steckt, gibt auch ein paar interessante Anekdoten aus der Zeit des Goldrausches zum Besten. Besonders witzig (oder makaber) finden wir jene über den Bestattungsdienst. Im Herbst besuchte der Sargmacher jeweils all jene Menschen, die geschwächt waren und bei denen befürchtet werden musste, dass sie den Winter nicht überleben würden. Er nahm von den Betroffenen Mass und fertigte vorsorgliche einen Sarg an. Auch dass Grabloch wurde bereits im Herbst ausgehoben, weil der Boden im Winter gefroren ist. Nachdem wir diese Geschichte gehört haben, stellen wir uns folgendes Szenario vor. Man ist krank, liegt im Bett und der Doktor kommt zu Besuch. Seine Diagnose: «Nur keine Sorge, dass haben wir bald überstanden. Nächstes Jahr geht es ihnen bestimmt besser. Jetzt brauchen sie aber erst mal ein bisschen Ruhe und Erholung». Spätestens wenn dann eine halbe Stunde später der Sargmacher vor der Tür steht, um die Masse abzunehmen, weiss man welche Stunde geschlagen hat.

 

Digital zum Dritten − Am nächsten Tag informiert sich Markus per Telefon nach unserer Kamera, die wir wegen eines Defekts an Nikon versendet haben. Wir erfahren, dass für die Reparatur ein Ersatzteil fehlt. Um uns trotzdem möglichst schnell wieder mit einer Kamera auszurüsten, bietet uns Nikon eine brandneue Kamera an.Ihr Fachhändler in Whitehorse hat eine D70s an Lager und ist bereit, diese an uns weiterzugeben. Das ist wirklich ein absolut toller Service, mehr können wir uns nicht wünschen. Mit dem Fotogeschäft in Whitehorse machen wir ab, dass sie die Kamera noch heute per Busdienst nach Dawson City senden. Wow, das bedeutet, dass wir bereits heute Abend wieder im Besitz einer digitalen SLR sind... und morgen geht’s dann ab auf den Dempster Highway!

 

Wesiosi holt den Stanley Cup − Den Tag verbringen wir in der Stadt. Wir wundern uns, ob Dawson immer so ausgestorben ist. Auf den den Holzstegen, die als Gehwege dienen, kommen uns nur wenige Leute entgegen und der Verkehr auf den ungepflasterten Strassen ist auch gering. Zufälligerweise kommen wir an einem Gebäude vorbei, in welchem heute der Stanley Cup ausgestellt ist. Natürlich will sich Lulu die Gelegenheit auf ein Foto mit diesem berühmten und begehrten Eishockeypokal nicht entgehen lassen.

Gerade rechtzeitig im Hinblick auf unsere morgige Fahrt auf dem Dempster Highway verbessert sich am späteren Nachmittag die Wetterlage. Der Rauch zieht sich zurück. Seit Tagen sehen wir endlich wieder einmal blauen Himmel und die Sonne.

 

Prost! − Am Abend zeigt Markus Lulu den Sour Toe im Downtown Hotel (Markus kennt den Brauch von einer früheren Reise mit Trek America). Der Legende nach entdeckte 1973 ein Schiffskapitän beim Aufräumen seinerBlockhütte einen vertrockneten Zeh. Dieser soll einst einem Trapper gehört haben, der zu Zeiten des Alkoholverbots in den USA während der zwanziger Jahre mit dem Hundeschlitten Rum nach Alaska schmuggelte. Doch bei einer Verfolgungsjagd mit der Polizei holte sich der Trapper nasse Füße und eine erfrorene, große Zehe. Sein Bruder trennte das abgestorbene Glied mit einer Axt vom Körper ab und legte es in ein Glas mit Alkohol. Der Kapitän, der die Zehe gefunden hat, kam später mit der Idee des «Sourtoe Cocktail Clubs» auf. Besucher der Bar im Downtown Hotel können sich die verschrumpelte, schwarzgelbe Zehe in einem Drink servieren lassen. Um mit einem Zertifikat im «Sourtoe Cocktail Club» aufgenommen zu werden, muss man die Zehe küssen während man seinen Drink hinunterschlürft. Ein in Kapitänmontur gekleideter Schiedsrichter überwacht das Geschehen und schaut, dass alles mit rechten Dingen zu und her geht. Trotzdem ist es schon passiert, dass jemand einen Zeh verschluckt oder geklaut hat. Um Nachschub muss man allerdings nicht besorgt sein. Kanadier, die ihre Zehen zum Beispiel wegen Erfrierungen verlieren, spenden oft grosszügig Ersatz. Und so liegen immer ein paar in Salzlake eingelegte Zehen im Kühlschrank des Downtown Hotel und warten auf neue Urlauber mit einem Hang zum Makaberen. Wir verzichten freiwillig...