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Auf dem Dempster Highway zum Polarkreis

Jetzt geht’s erst richtig in den Norden − Am Freitag, 19. August starten wir das Abenteuer Dempster Highway. Diese 740 Kilometer lange Schotterstrasse führt über den Polarkreis nach Inuvik in den Northwest Territories. Im Vorfeld haben wir viel von platten Reifen und durch Steinschlag gespaltene Windschutzscheiben gehört. Wir sind gespannt, was uns erwarten wird. Die Natur entlang des Dempsters zieht uns gleich von Anfang an in ihren Bann. Die Weite, die Unberührtheit und die Herbstfarben sind einfach unglaublich. Wir kommen nur langsam voran. Alle paar Meter machen wir Halt, um die Landschaft zu geniessen und zu fotografieren. Nach 71 Kilometern erreichen wir den Tombstone Park, wo wir uns bei der Rangerstation über den weiteren Routenverlauf und Wandermöglichkeiten schlau machen. Man empfiehlt uns den Goldensides Trail, der gleich hier in der Nähe beginnt. Vor der Hütte erklärt uns eine Rangerin mittels Fingerzeigen wo und wie wir am besten auf den Gipfel raufkommen. Tönt alles klar und relativ einfach. Wir kommen aber schon bald ins Schwitzen und zweifeln, ob ein totaler Aufstieg tatsächlich möglich ist. Wir sind mitten in eine steile Geröllhalde geraten, dessen Gestein uns ständig unter den Füssen wegrollt. Wir beurteilen die Lage und sind uns einig, dass ein Aufstieg hier zu gefährlich ist, zumal wir ja dann auch wieder irgendwie hinunter müssen. Wir geben aber noch nicht auf und versuchen es an einer anderen Stelle. Hier ist es zwar genauso steil aber das Terrain ist wesentlich einfacher zu begehen. Schliesslich stehen wir oben und sind von der 360° Aussicht auf Bergspitzen und Täler total begeistert. Die Anstrengung hat sich gelohnt. Der Abstieg ist einfach und geht schnell vonstatten. Fast wie auf Skiern rutschen wir seitwärts den Hang hinunter.

 

Schoggi und Fisch − Den nächsten längeren Stopp legen wir beim Two Moose Lake ein. Und tatsächlich hält sich in dessen Nähe eine Elchkuh auf. Wir können sie beim Wassertrinken beobachten. Etwas weiter entfernt sehen wir ein paar Caribous. Wir treffen ausserdem ein Ehepaar aus Biel. Die beiden schenken uns eine Tafel Schweizerschokolade und einen Luzerner Lebkuchen. Lange dürften diese Leckereien bei uns wohl nicht mehr überleben. Wir fahren weiter und sind begeistert. Die Landschaft wird immer spektakulärer. In einer Informationsbroschüre, die wir uns bei der Tombstone Rangerstation ausgeliehen haben, lesen wir etwas über den Elephant Rock. Dieser Felsen, in der Form eines Elefanten, ist allerdings sehr weit von der Strasse entfernt und wir können ihn nur mit dem Fernglas sichten. Wir wundern uns, wer diesen speziellen Felsen wohl entdeckt hat. Beim Engineer Creek Campground bei Kilometer 194 machen wir einen WC-Pause. Dabei kommen wir mit ein paar Fischern ins Gespräch, die uns kurzerhand einen Teller mit gebratenem Grayling auftischen. Die Leute meinen es heute wirklich gut mit uns! Da wir für die Nacht nicht zahlen wollen, fahren wir nochmals ein paar Kilometer. Auf einem erhöhten Kiesplatz, nicht mehr weit vom Ogilvie-Peel Viewpoint entfernt, schlagen wir unser Nachtlager auf. Wir nehmen uns vor, jedesmal wenn wir nachts erwachen, einen Blick aus dem Fenster zu werfen. Vielleicht sind in dieser klaren Nacht Nordlichter zu sehen...

 

Und jetzt? − Leider verläuft die Mission erfolglos. Der Grund dafür wird uns am nächsten Morgen schlagartig klar... Der Rauch hat uns auf dem Dempster eingeholt. Das darf doch nicht wahr sein?! Wir fahren los und hoffen, so dem grauen Schleierentfliehen zu können. Doch das Gegenteil ist der Fall. Es scheint, als ob der Rauch mit jedem Kilometer dichter wird. Die Herbstfarben, die gestern noch so leuchtend waren, haben ihren Glanz verloren. Wir können nur erahnen, wie toll die farbige Tundra in dieser Weite und vor den unter diesen Umständen nur schemenhaft erkennbaren Bergen im Hintergrund aussehen würde.

An einigen Stellen passieren wir abgebrannte Wälder. Ein trostloses Bild. Wir tanken in Eagle Plains, passieren den Polarkreis und üben uns in positivem Denken. We keep on driving... erst bei einem Plakat an der Grenze zu den Northwest Territories halten wir an. Die Aufschrift lautet «it’s not worth it» (drink and drive). Von hier aus sind es nochmals 270 Kilometer bis nach Inuvik. Lohnt sich das wirklich? Sollen wir die Strecke unter diesen Bedingungen einfach abspulen? Für eine Stadt, die nach Angaben von anderen Reisenden nicht viel zu bieten hat und die man nach zehn Minuten gesehen hat? Die Leute in Eagle Plains haben sich nicht zu optimistisch gezeigt, was eine Besserung der Situation anbelangt. Es braucht Regen, Schnee oder starken Wind aus der richtigen Richtung, um die Luft zu klären. Und nicht einmal das ist auf lange Sicht ein Erfolgsgarant. So hat es zum Beispiel am Tag bevor wir auf den Dempster auffuhren Schnee gegeben. Das hat uns zumindest gestern einen schönen Tag beschert aber bereits heute ist der Rauch zurück. Und dieser stinkt uns langsam gewaltig. Wir kehren um. Zurück beim Motel und der Tankstelle in Eagle Plains warten wir noch ein wenig ab, getreu dem Motto: «die Hoffnung stirbt zuletzt». Wir sprechen mit verschiedenen Leuten, die aus beiden Richtungen hier vorbeikommen und erhalten von allen die gleiche Antwort: Rauch soweit das Auge reicht. Den meisten ist es egal, wie das Wetter ist, sie wollen so oder so die ganze Strecke meistern. Wir haben das Gefühl, dass es ihnen nur darum geht, sagen zu können ich hab’s gemacht, ich war dort. Wir teilen ihre Einstellung nicht. Den Diesel können wir uns sparen.

Trotzdem verbringen wir die Nacht in der Nähe von Eagle Plains. Vielleicht sieht es ja morgen schon wieder ganz anders aus. Dann werden wir definitiv entscheiden, ob wir es nochmals versuchen werden oder ob wir dem Dempster ganz den Rücken kehren. Leider war unsere Hoffnung vergebens. Der Rauch ist dicht wie eh und je. Wir fahren südwärts. Der Rauch lockert sich in diese Richtung ein wenig auf. Trotzdem ist die Landschaft nicht mit derjenigen zu vergleichen, die sich noch vor zwei Tagen bei Sonnenschein präsentiert hat. Lulu ist bitter enttäuscht. Sie hat sich so sehr auf diese Fahrt gefreut. Das Timing für die Herbstverfärbung und auch das Wetter an sich hätten gestimmt. Aber es gibt halt noch mehr Dinge, die man nicht beeinflussen kann. Später erfahren wir, dass die Strasse bei Eagle Plains kurz nach unserer Umkehr wegen des Rauches gesperrt werden musste. Dies gibt uns das Gefühl richtig entschieden zu haben und wir sind dankbar, dass wir den Dempster wenigstens einen Tag lang unter perfekten Bedingungen erleben konnten. Für den Rest müssen wir halt irgenwann nochmals zurückkommen :-) Überigens, Nanuq hat den Trip schadlos überstanden, worüber wir natürlich ebenfalls froh sind.