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West Coast Trail

Oversize − Am Morgen machen wir uns zeitig auf den Weg. Ausser einem kurzen Stopp bei den Shannon Falls, die momentan nicht viel Wasser führen, fahren wir bis zur Horseshoebay durch. Dort reihen wir uns in die Warteschlange für die Fähre nach Nanaimo auf Vancouver Island ein. Unser Auto wird als «Oversize» taxiert und wir müssen für die 1 ½ stündige Überfahrt 100 kanadische Dollars bezahlen. Trotz diesem Zuschlag werden wir auf dem Boot nicht etwa zwischen den RV’s und Lastwagen, sondern ganz normal bei den PW’s platziert. Wir erwischen wahrscheinlich den dümmsten Platz auf dem ganzen Schiff überhaupt: nämlich jener auf einer abwärtsführenden Rampe. Markus zieht die Handbremse an und ein Angestellter schiebt sicherheitshalber noch einen Holzblock unters Rad.

Während der Überfahrt, erkunden wir das Schiff. Draussen auf dem Deck ist es kalt und windig und wir begeben uns bald wieder nach drinnen. Dort hat es einen Souveniershop, eine Cafeteria, ein paar Workstations mit Stromanschluss und eine Infoecke, wo wir uns mit Flyern und Broschüren zu Vancouver Island eindecken.

Vor dem Ausladen gibt der Angestellte Markus folgende Anweisungen. Er soll ein wenig rückwärts fahren (wirklich nur wenig, denn das nächste Auto steht nur ein paar Centimer hinter Nanuq), damit der Angestellte den Holzblock unter Nanuqs Rad entfernen kann. Mit unserem schweren Gefährt ein nicht ganz einfaches Unterfangen. Sobald wir an die Reihe kommen, ist der Angestellte allerdings verschwunden. Lulu traut Markus nicht 100% und wagt es deshalb nicht, ihre Hände unters Rad an den Holzblock zu legen. Völlig blockiert stehen wir da und warten bis uns ein Angestellter zu Hilfe eilt. Alles klappt problemlos und wir fahren vom Boot.

 

Wie, Was, Wo? − Wir lassen Nanaimo hinter uns und fahren Richtung Victoria im Süden der Insel. Ein paar Kilometer ausserhalb der Stadt halten wir bei einem Shoppingkomplex, um die fehlenden Sachen für die Wanderung auf dem West Coast Trail einzukaufen. Auf dem Parkplatz herrscht ein riesiges Chaos. Die vielen Leute und Autos machen uns halb verrückt. Alles ist hektisch und wir wissen kaum, wo uns der Kopf steht. So muss sich jemand fühlen, der aus einem entlegenen Dorf plötzlich in einer Grossstadt ankommt. Wir sehnen uns nach der Ruhe im Norden...

 

Bären haben Vortrittsrecht − So, nun sind wir definitiv für den 75 Kilometer langen West Coast Trail (WCT) gerüstet. Victoria lassen wir vorläufig auf der Seite liegen und fahren Richtung Port Renfrew, wo sich der südliche Trailhead des WCT befindet. Für Städtetrips haben wir auch nach der Wanderung noch Zeit. Heute schaffen wir es aber nur bis Jordan River, wo wir einen wunderschönen Sonnenuntergang erleben. Hoffentlich hält das Wetter für die nächste Woche an!

Am nächsten Morgen fahren wir die restlichen Kilometer bis nach Port Renfrew. Ein Schwarzbär nimmt sich die Regel «right of way» zu Herzen und trottet seelenruhig vor Nanuq über die Strasse. Zum Glück erblicken wir ihn frühzeitig und können bremsen. Wir fragen uns, ob dieser Bär wohl schwerhörig ist. Normalerweise flüchten seine Artgenossen, wenn sich unser lautes Auto nähert.  

 

West Coast Trail... − In Port Renfrew begeben wir uns zum Registration Center des West Coast Trails. Wir studieren das Anschlagbrett mit den neusten News betreffend wildlife sightings (Sichtung von Bär, Puma, Wolf und Wespen) entlang des Trails und dem Zustand des Weges. Bei der Rangerin erkundigen wir uns anschliessend nach freien walk in permits für den morgigen Tag. Durch die ständig steigenden Besucherzahlen auf dem WCT musste die Parkverwaltung des Pacific Rim Nationalparks ein Quotensystem einführen. So werden heute pro Tag nur noch 52 Leute (26 pro Trailhead) auf den Trail gelassen. Dieses Limit wird allerdings nur im Hochsommer ausgeschöpft. Laut Angaben der Parkverwaltung begehen zwischen dem 1. Mai und dem 30. September etwa 5’000 Leute den WCT. Von Oktober bis Mai bleibt der Trail geschlossen. Von den jeweils 26 Startplätzen werden 20 per Reservierungssystem vergeben. Die restlichen sechs sind sogenannte walk in permits, was bedeutet, dass man sich nach seiner Ankunft im Registration Center meldetund hofft, dass es noch einen «Platz» frei hat. Da wir uns nicht auf ein Datum festlegen wollten, setzen wir auf eben diese Methode und haben Glück. Während man in der Hauptsaison eventuell ein paar Tage auf einen Startplatz warten muss, ist es gegen Ende Saison meist kein Problem. Wir dürfen morgen starten! Vorher müssen wir aber an der obligatorischen Orientierung teilnehmen. Während etwa 1½ Stunden informiert die Rangerin über Geschichte, Gefahren und Zustand der Wanderung. Sie erklärt zudem die Handhabung der Gezeitentabelle, die jeder Wanderer mit auf den Weg bekommt. Am Schluss wird man zur Kasse gebeten. Belastet werden die Benutzergebühr des West Coast Trail, welche einem erlaubt auf dem WCT zu übernachten, die beiden Fährenüberfahrten und die wasserfeste Streckenkarte.

 

...the toughest hike of North America − Vor dem Registration Center fangen wir an unsere Rucksäcke zu packen. Wie immer brauchen wir dafür viel Zeit. Sorgfältig und gezielt (für einmal ;-) gehen wir die einzelnen Bereiche (Kleidung, Essen, 1. Hilfe,...) durch. Wir wollen sicher sein, dass wir alles Nötige dabei haben, achten aber gleichzeitig darauf das Gepäck möglichst klein und leicht zu halten. Die nächsten sieben Tagen werden wir dieses nämlich auf unseren Buckeln mitschleppen müssen. Der West Coast Trail ist 75 Kilometer lang und führt durch Regenwald und entlang der pazifischen Küste. Die Parkverwaltung nennt ihn gerne «the toughest hike of North America» (härteste Wanderung in Nordamerika) und weist darauf hin, dass er nur von erfahrenen Backcountry Wanderern in Angriff genommen werden sollte. Die Frage stellt sich, was wir trotzdem hier suchen. Nun, Lulu hat sich diese Wanderung vor Jahren in den Kopf gesetzt... and here we are. Beide sind wir unsicher, ob wir den Hike schaffen. Wir sind diesen Sommer nicht so viel gewandert, wie wir das eigentlich erwartet und geplant haben und eine mehrtägige Wanderung liegt sogar noch länger zurück (Alpenüberquerung). Unsere Form ist somit vom Höchststand weit entfernt. Trotzdem haben wir im Norden etwas an Backcountry-Erfahrung gewonnen und vor allem auch von Leuten, die wir dort getroffen haben, gelernt. Bei der Vorbereitung auf den WCT hilft uns aber auch das Büchlein «Kanada: West Coast Trail» aus dem Stein Verlag.

 

Wandergspänli − Während wir packen lernen wir Connie (Korea) und Martin (Canada) sowie Patrizia (Schweiz) und Marcus (Deutschland) kennen. Beide Pärchen werden Morgen zusammen mit uns starten. Es beruhigt uns zu erfahren, dass auch Patrizia und Marcus keine grosse Wandererfahrung in dieser Klasse vorzuweisen haben. Immerhin sind sie zu Hause einige Male mit einem mit Büchern gefüllten Tramper wandern gegangen. Bedenkt man, dass unsere vollbepackten Rucksäcke gut 20 kg schwer sind, macht diese Vorbereitung sicher Sinn.

Am Abend kochen wir Spagetthis, um uns nochmals Kohlenhydrate zuzuführen. Wir geniessen ausserdem eine warme Dusche; in den nächsten sieben Tage wird die Hygiene wohl etwas hintenanstehen müssen. Die Nacht verbringen wir auf dem WCT-Parking, wo wir den Wagen während unserer Abwesenheit für drei Dollar die Nacht stehen lassen können.

 

Es geht los − Lulu ist es schon seit Wochen aber am nächsten Morgen hat es auch Markus eingeholt; wir sind beide hypernervös und bringen kaum einen Bissen herunter. Es fängt denn auch gut an. Nachdem Lulu ein Foto von Markus vor dem Start geschossen hat, ist das Kameraetui verschwunden. Trotz Grossfahndung (andere Wanderer und Fährenmann) bleibt es unauffindbar.

Um neun Uhr schippert uns die Fähre über den Gordon River zum Trailhead auf der anderen Flussseite. Zwei Holländer, Patrizia, Marcus, Connie und Martin sind ebenfalls mit uns auf dem Boot. Wir lassen die sechs ziehen, damit wir als Schlusslicht unser eigenes Tempo gehen können. Als wir schliesslich die Gamaschen montiert und unsere Wanderstöcke ausgefahren haben, sind auch wir startklar. Der Weg führt gleich steil bergan und wir kommen schon bald ins Schwitzen. Am Anfang steigen wir noch etwas unsicher über die vielen Wurzelgeflechte am Boden. Mit jedem Meter gewöhnen wir uns aber immer mehr an den Rucksack auf den Schultern und die schwierigen Wegbedingungen. Trotzdem muss man die Augen während des ganzen Trails bei jedem Schritt offenhalten. Die Verletzungsgefahr ist nicht zu unterschätzen. Schnell rutscht man auf dem glitschigen Boden aus oder vertritt sich im Wurzelgeflecht den Fuss. Jedes Jahr müssen etwa hundert Leute per Boot oder Hubschrauber evakuiert werden. Unter den kleinen «Bobolis» sind Zerrungen, Verstauchungen, Blutergüsse und vor allem Blattern weit verbreitet. Diese müssen zwar nicht unbedingt eine Aufgabe zur Folge haben, können das Gehen aber zur Qual machen. Indem wir die Sache langsam und konzentriert angehen, hoffen wir von solchen Verletzungen verschont zu bleiben.

 

Immär uf die Chlinä − Der Weg führt durch den Regenwald, vorbei an moosbewachsenen Bäumen, über Brücken und ein paar Leitern rauf und runter. Es gibt etwa 40 Leitersysteme auf dem WCT. Ein einzelnes Leitersystem besteht aus einer oder mehreren, durch Plattformen unterbrochenen, Holzleitern. Auf den Plattformen kann man jeweils ein wenig verschnaufen, denn die Leitern haben es mit dem Rucksack auf dem Rücken in sich. Die längste Leiter auf dem WCT führt 50 Meter fast senkrecht die Küste hinauf beziehungsweise hinunter. Dass die Sprossen bei den meisten Leitern sehr weit auseinander liegen, macht es für kleinere Menschen wie uns (1.70 m) auch nichteinfacher. In den nächsten Tagen wünschen wir uns des öfteren ein paar zusätzlich Centimeter in den Beinen, denn es müssen immer wieder hohe Tritte bewältigt werden. Mit Müh und Not und mit Hilfe der Wanderstöcke können wir uns jeweils knapp hinaufhieven (wie macht das bloss die Koreanerin Connie, die nochmals einen Kopf kürzer ist als wir?). Die Stöcke erweisen uns auch beim Runtersteigen von solchen Tritten einen grossen Dienst. So kann man ein Teil des Gewichts auf die Arme verlagern und Schläge in Knien und Knöcheln abfedern. Ausserdem helfen sie uns auch bei gewissen Balanceakten über umgestürtzte Baumstämme, die auf der Oberkannte etwas abgeschliffen sind und als Brücken über Schluchten und Bäche dienen.Am ersten Tag bleiben wir von Baumbrücken dieser Art zum Glück noch verschont. Eine einzige begegnet uns heute und bei der wurde zur Hilfe zusätzlich ein Stahlseil angebracht. Es ist allerdings das erste und letzte Mal, dass wir eine solch komfortableKonstruktion antreffen.

Zu den weiteren Besonderheiten am ersten Tag gehören die Donkey Engine bei Kilometer 72 (immer vom nördlichen Trailhead aus gerechnet) und der höchste Punkt des West Coast Trail bei Kilometer 71. Die Donkey Engine ist ein rostiges Relikt aus der Entstehungszeit des WCT. Sie wurde zum Bewegen von Baumstämmen und Felsbrocken eingesetzt.

 

Rückblende − Seit 1854 strandeten an der Westküste vor Vancouver Island mehr als 60 Schiffe. Schuld daran waren meist die starke Strömungen und schnell wechselndes Wetter. Überlebende waren selten, was der Region den Namen «Graveyard of the Pacific» (Friedhof des Pazifiks) einbrachte. Jene, die bei einer Schiffskatastophe das vermeintlich rettende Ufer erreichten, fanden sich in einer undurchdringlichen Wildnis wieder, aus der es kein Entrinnen gab. Um den Seeleuten mehr Sicherheit zu bieten, wurden 1873 am Cape Beale und 1891 bei Carmanah Point zwei Leuchttürme errichtet. Ab 1890 verband ausserdem eine Telegrafenleitung Bamfield mit Port Renfrew und Victoria. Trotz diesen technischen Fortschritten gab es aber auch weiterhin tödliche Schiffsunglücke.

Am 22. Januar 1906 läuft das Passagierschiff S.S. Valencia auf der Höhe der Valencia Bluffs auf Grund. Zwei Tage liegt das angeschlagene Schiff auf dem Riff, bevor es von den tobenden Wellen buchstäblich zerquetscht wird. Rettungstruppen versuchen vergeblich, die Valencia zu erreichen. Alle 126 Passagiere und die gesamte Schiffsmannschaft kommen ums Leben.

Diese Tragödie schockt die Nation und führte zum Bau eines weiteren Leuchtturms bei Pachena Point und eines Life Saving Trails (Lebensrettungspfad). Der Pfad führte entlang der Telegrafenleitung und ermöglichte Überlebenden und Rettern sich einen Weg durch den sonst unpassierbaren Regenwald zu bannen. Die Instandhaltung des Trails erwies sich als äusserst schwierig und kostspielig. Stürme zerstörten immer wieder über Schluchten gespannte Brücken und starke Regenfälle verwandelten den Pfad in ein nicht begehbares Sumpfloch.

Mit dem Aufkommen der Rettung aus der Luft und der Entwicklung der modernen Navigationsinstrumenten verlor der Weg seine ursprüngliche Bedeutung. Die Instandhaltungsmassnahmen wurden reduziert und nach dem zweiten Weltkrieg ganz eingestellt. Erst als an dieser Küste der Pacific Rim National Park errichtet wurde, erwachte das Interesse am Life Saving Trail erneut. Die kanadische Parkverwaltung begann, den mittlerweile von der Wildnis zurückeroberten Trail, wieder instandzusetzen. 1980 wurde der Pfad eröffnet. Seither ist er bei Wanderern aus aller Welt unter dem Namen West Coast Trail bekannt.

 

Trasher Cove − Bei Kilometer 70 kommt der markierte Abzweiger nach Trasher Cove, unserem heutigen Tagesziel. Der letzte Kilometer runter an die Küste ist allerdings sehr steil und fordert uns nochmals heraus. Nach einem letzten, langen Leitersystem lassen wir uns am Strand erschöpft in den Sand fallen. Wir dürfen gar nicht daran denken, dass wir morgen diesen extra Kilometer hinauf zum Haupttrail wieder «zurückschlarpen» müssen. Zwar besteht von Trasher Cove aus auch eine Strandroute um den Owen Point herum, aber dieser ist laut der Streckenkarte nur bei einem Wasserstand von unter 1.8 m passierbar. Bei den momentanen Gezeiten mit einem Tiefststand von 2 Metern bei Ebbe ist dies zur Zeit leider nicht möglich.

Wir treffen praktisch gleichzeitig mit Connie und Martin in Trasher Cove ein. Marcus und Patrizia folgen einige Zeit später. Die beiden Holländer, die ebenfalls heute morgen gestartet sind, haben Trasher Cove ausgelassen und sind gleich zur Camper Bay (unserem morgigen Tagesziel) weitergegangen. Wir rechnen für den ganzen Trail mit sieben Tagesetappen, was wohl etwa dem Durchschnitt entspricht. Einige Leute ziehen es aber auch in fünf oder sechs Tagen durch. Die beiden Holländer werden, wenn alles gut geht, zu dieser Gruppe gehören. Als Ex-Militaristen sind sie schliesslich besser in Form als wir. Da machen ihnen auch die paar Kilos, die ihre Militärausrüstung (inklusive Biervorrat) im Vergleich zu unseren Rucksäcken mehr wiegt, nicht viel aus. 

 

«Zahläbigerei» − Für uns war die heutige Etappe mit sechs Kilometern gerade richtig. Wir haben dafür geschlagene 4 ¾ Stunden gebraucht, was im Schnitt ungefähr ¾ Stunde pro Kilometer ergibt! Pausen gab’s nur kurze; zum Fotografieren oder um im Stehen einen Riegel zu essen. Diese Zahlen geben eine grobe Idee, wie anspruchsvoll der Trail ist. Umso schwerer fällt es uns zu glauben, dass ein paar ganz Verrückte im Sommer diesen Trail als Rennen absolvieren und dabei nicht einmal 24 Stunden benötigen... ohne Gepäck zwar aber trotzdem...

 

Deutsche Pfadfinder − Wir suchen einen geeigneten Platz zwischen dem Treibholz, um unser Zelt aufzubauen. Danach nehmen wir ein Sonnenbad, wandern dem Strand entlang, kochen Maccaroni and Cheese und setzen uns schliesslich ans Lagerfeuer einer deutschen Outdoortruppe. Sie haben den Trail am nördlichen Trailhead bei Pachena Bay begonnen und verbringen somit die letzte Nacht auf dem Trail. Die drei verzichten bewusst auf eine Hightech Ausrüstung. Ohne Kocher und Wasserfilter oder -tabletten sind sie nicht nur gezwungen über dem Feuer zu kochen, sondern sie müssen auch das gesamte Trinkwasser zuerst abzukochen. Das Besteck ist aus Holz geschnitzt, das Zelt eine Art Tipi mit Holzstangen und einer dicken Plache. Man muss wohl nicht extra erwähnen, dass ihr Gepäck um einiges schwerer und unhandlicher ist als unseres!

Das Rotzedernholz hat eine wunderschöne gelblich-rosarötliche Farbe und riecht ausgesprochen gut. Was gibt es schöneres als an diesem abgelegenen Strand zu sitzen, den Flammen zuzusehen und den Geschichten ums Lagerfeuer zu lauschen?! Die Nervosität von heute Morgen ist definitiv verflogen.

 

Ein Erlebnis für alle Sinne − Am nächsten Morgen erwachen wir und spüren jeden Muskel und alle Knochen. Trotzdem kriechen wir aus dem Schlafsack. Wir haben neun anstrengende Kilometer vor uns und wollen daher nicht zu spät aufbrechen. Schlafsäcke und Matten werden zusammengerollt, das Zelt abgebaut, ein Haferflockenmüsli mit Milchpulver zubereitet. Um 8:30 Uhr sind wir schliesslich startklar und begeben uns an den Fuss der steilen Leiter, die uns zurück zum Haupttrail bringt. Oben an der Leiter befindet sich das Hinweisschild für die tsunamisichere Zone. Wir finden diese Schilder, die nach dem Tsunami Unglück von Südostasien errichtet wurden, völlig überflüssig. Im Ernstfall hätte man an den meisten Orten keine Chance, rechtzeitig die Leitern zu erreichen und hinaufzuklettern.

Schon nach ein paar Minuten auf dem Trail sind wir wieder verschwitzt, machen aber trotzdem tapfer weiter. Sobald wir etwas warm gelaufen sind, wirkt der Druck des Rucksacks auf unsere Schultern erträglicher und auch die Muskeln fühlen sich nicht mehr ganz so steif an. Obwohl der Weg heute noch beschwerlicher ist, fangen wir an, die Umgebung besser wahrzunehmen. All die unterschiedlichen Grüntöne, die moosbehangenen Riesenbäume und verschiedenartige Farne entzücken unsere Augen. Wir entdecken Pilze am Boden und an Baumstämmen, die aussehen wie kleine Regenunterstände. Lange gelb, grün und schwarz gefleckte Schnecken und Vögel mit glänzendem, blauem Gefieder leisten uns Gesellschaft. Später führt der Weg an der Klippe entlang und wir können während dem Wandern den Wellen lauschen.

 

Seiltänzer − Zu den oben bereits angetönten «technischen» Herausforderungen gehöhren tückische Wurzelgeflechte, Sumpflöcher und viele Baumstammbrücken (von nun an ohne Stahlseil). Als Lulu einen dieser Stämme überquert hat und meint: «Du, dä isch jetz no cheibä höch gsi!», kommt Markus, der sich noch immer in luftiger Höhe befindet, arg ins Wackeln. Er, der bis anhin konzentriert einen Fuss vor den anderen gesetzt hat, ist irritiert und wirft einen Blick in die Tiefe. Danach muss er zwei-, dreimal mit den Armen rudern, um die Balance wieder zu findenund heil ans andere Ende zu gelangen. Tatsächlich sind einige dieser «Brücken» recht hoch (schätzungsweise 4 Meter). Fällt man von hier runter, ist die Wanderung wahrscheinlich vorbei. Oft sind die Baumstämme mit Moos bewachsen und feucht, was das Ganze zu einer sehr heiklen, da glitschigen, Angelegenheit macht.

 

Camper Bay − Wir bringen zum Glück auch diese Etappe unfallfrei hinter uns und erreichen nach 5 ½ Stunden Camper Bay. Connie und Martin sind bereits da und haben uns einen Platz neben ihrem Zelt reserviert, auf dem wir unseren «Hilli» im Schutz eines grossen, am Boden liegenden Baumstammes aufstellen. Heute ist es am Strand merklich kühler als gestern und kurz nach unserer Ankunft in Camper Bay zieht vom Meer her gar Nebel auf. Solange es nicht auch noch zu regnen beginnt,kann uns das nicht die Laune verderben.

Schon fast automatisch gehen wir unseren Ämtchen nach. Dazu gehören nebst dem Zeltaufbau, das Einrichten des Schlafbereichs, die Trinkwasserbesorgung und -aufbereitung, das Erkunden des Strandes, das Kochen, der Abwasch, das Zähneputzen und das Verstauen aller riechenden Artikel (Nahrung, Hygieneartikel etc.) in den bärensicheren Food Lockers. Ist alles erledigt, ist es meist schon dunkel und wir können uns entspannt am Lagerfeuer zurücklehnen.

Nebst Connie und Martin haben wir heute Patrizia und Marcus und zwei Zweiergruppen aus der entgegengesetzten Richtung als Zeltnachbarn. Eines der beiden Zweiergespanne, ist ein besonders gut eingespieltes Team, was nicht weiter erstaunt, da es sich bei ihnen um alte Freunde aus der Kindergartenzeit handelt. Während sich der kleinere der beiden alleine mit Zeltaufbau abmüht, hockt der andere gemütlich auf einem Baumstamm daneben. Dabei stopft er sich das Maul mit einer Zwischenverpflegung voll und scheut auch nicht davor zurück die Arbeit seines fleissigen Freundes zu kommentieren oder gar kritisieren. Natürlich ist das Ganze nicht ernst gemeint und wir amüsieren uns alle köstlich ab den beiden Entertainern. Auch später am Lagerfeuer, wissen sie uns bestenszu unterhalten. Vor allem bei dentheatralisch untermalten Erzählungen des Zeltaufbauers, über seine Versuche mit dem hypersportlichen und viel grösseren Freund Schritt zu halten, müssen wir losprusten. Ein Sumpfloch, das der Kollege mit zwei langen Schritten locker überquert, stellt für ihn ein Hindernis von mindestens sieben Schrittchen dar. Besonders dumm läufts, wenn er dann noch mitsamt dem schweren Tramper auf den Rücken fällt. Nur zu gut können wir uns vorstellen, wie er im Sumpfloch zappelnd, vergeblich versucht wieder auf die Beine zu kommen. Der Mann hat wirklich gute Unterhaltungsqualitäten und ist ein brillianter Redner. Fähigkeiten, die er als Politiker sichergut einzusetzen weiss.

 

Bearproof − Grundsätzlich darf man auf dem WCT überall übernachten, praktisch bleiben aber eigentlich nur die offiziellen Campspots an den Stränden übrig. Denn im Regenwald ist es einerseits schwierig eine geeignete Fläche zu finden, um das Zelt aufzustellen und andererseits wäre es auch nicht sonderlich gemütlich (dunkel und feucht). Der Strand ist dagegen nicht überall zugänglich (steile Felsenklippen), weshalb man sichan die errichteten Abgänge (Leitersysteme) halten muss, die automatisch zu den offiziellen Campspots führen. Wir finden diese Campsites aber sowieso ganz praktisch, da die meisten mit einem Plumpsklo und bärensicheren Foodlockern ausgerüstet sind. Die letzteren ersparen einem das Aufhängen der riechenden Artikel im Geäst eines Baumes. Wir haben bis jetzt zwar weder Bären, Pumas noch Wölfe gesichtet, aber Spuren am Strand deutenauf ihre Anwesenheit hin. Und im Wald wundert man sich manchmal, woher das Knacken im Unterholz kommt...

 

Guets Ching − Hat Lulu im Norden manchmal noch Bärenangst gezeigt, ist sie hier überraschend ruhig. Tja, wenn sie sich mal was in den Kopf gesetzt hat (z.B. den West Coast Trail :-), spielt alles andere keine Rolle mehr. Da wird weder über Erschöpfung geklagt, noch die Angst vor Bären eingestanden. Nein, diese Sache wird durchgezogen... Selbst wenn sie am Morgen früh aufstehen muss, verbietet sie sich das sonst übliche und theatralische Gejammer ;-)

 

Schlammschlacht − So ist sie denn auch am nächsten Morgen wieder um 8.30 Uhr zum Abmarsch bereit. Der Weg führt erneut durch den Regenwald. Es ist der Tag des Schlamms. Obwohl es (unüblicherweise für den WCT) schon seit Tagen nicht mehr geregnet hat, ist der Schlamm an vielen Orten mehr als knöcheltief. Die Gamaschen und wasserdichten Wanderschuhe halten unsere Füsse und Schienbeine aber glücklicherweise trocken.

 

Energieschub? − Ein Cable Car überspannt den Cullite Creek. Diese Metallbox, die für zwei Personen samt Gepäck gerade gross genug ist, hängt an einem Stahlseil. Die Box wird per Muskelkraft der Passagiere, auf Rollen über das Stahlseil, fortbewegt. In dieser Art Seilbahn kann man bei Hochwasser Flüsse trockenen Fusses überqueren. Da der Cullite Creek momentan nicht viel Wasser führt, entschliessen wir uns für eine weniger zeit- und kraftraubende Überquerung des Flusses. Wir klettern das lange Leitersystem hinunter zum Creek, wo wir anschliessend von Stein zu Stein balancierend, sicher das andere Ufer erreichen. Darüber, ob es am Ende wirklich zeit- und kräftesparend war, trennen sich unsere Meinungen. Denn am Creek treffen wir auf eine Wandergruppe aus der Gegenrichtung, die gerade Pause macht und genüsslich einen Snack verzehrt. Wir plaudern eine Weile und bekommen dabei auch gleich ein paar Scheiben Käse und Salami verfuttert. Was sehr grosszügig erscheint, dient natürlich auch etwas dem Eigennutz. Was wir essen, müssen sie nicht mehr mittragen ;-). Auf dem WCT zählt schliesslich jedes Gramm am Rücken! Während Markus nach diesem Break wieder voller Energie ist, füllt sich Lulu plötzlich schlapp. In den ersten beiden Tagen haben wir auf dem Trail jeweils nur einen Riegel gegessen und erst bei Erreichen des Camps so richtig zu futtern begonnen. Lulu’s Körper, der sich scheinbar auf dieses System eingestellt hat, glaubt nach dieser reichhaltigen Zwischenmahlzeit bereits, dass für heute Schluss ist. Sie hat das Gefühl, dass die Leitern, die auf der anderen Seite des Cullite Creeks wieder zum Trail hochführen, nichtenden wollen.

 

Stechschritt − Nachdem diesem «Chrampf» gelangen wir auf ein längeres Stück «Boardwalk». Auf diesen hölzernen Gehwegen kann man mit den Beinen etwas weiter ausholen, was für ein zügigeres Vorwärtskommen sorgt. Trotzdem muss man weiterhin Vorsicht walten lassen. Der Weg kann glitschig sein und manchmal fehlen ohne Vorwarnung ein paar Bretter.

 

Schwein gehabt − Natürlich warten auch heute wieder ein paar Baumstammbrücken darauf, von uns überquert zu werden. Bei einer dieser «Brücken» passiert das Unglück. Lulu hat den Stamm zwar erfolgreich überschritten, rätselt nun aber wie sie von diesem hohen Hindernis sicher hinunterkommen soll. Während sie mit dem vorderen Bein auf dem Boden Halt sucht, rutscht sie mit dem hinteren auf dem Stamm aus. Sie hat keine Chance sich aufzufangen und fällt rückwärts zwischen dem sicheren Grund und dem Baumstamm hinunter. «Häb mi!», ist alles was sie Markus noch zurufen kann. Dieser steht zwar selbst noch auf dem rutschigen Stamm, reagiert aber sofort und packt sie am Deckel des Trampers. Er schafft es, Lulu daran aus der Tiefe zu ziehen. Uff, das ist gerade nochmals gut gegangen!

Mit etwas weichen Knien geht es weiter. Beim Logan Creek führt ein Leitersystem hinunter zu einer sehr schmalen Hängebrücke, die den Fluss überquert und dort ins nächste Leitersystem übergeht. Auf diesem klettert man die vorher hinuntergestiegenen Meter wieder hinauf. So nimmt eine relative kurze Wegstrecke relativ viel Zeit in Anspruch. Uns stellen sich darum folgende Fragen: Warum hat die Parkverwaltung die Brücke nicht auf der Höhe des Trails durchgespannt und wie misst sie die 75 Kilometer des WCT? Wir das ständige Rauf und Runter miteingerechnet oder nimmt man bloss die Luftlinie?

 

Walbran Creek − Um drei Uhr erreichen wir den Walbran Creek, wo uns Connie und Martin einmal mehr erwarten. Der Creek ist von Möwenkolonien bevölkert und wir müssen, um an einigermassen sauberes Trinkwasser zu gelangen, ziemlich weit den Fluss hinaufgehen. Denn die Vögel sammeln sich hauptsächlich an der Mündung des Flusses und verschmutzen dort das Wasser mit ihrem Kot und Gefieder. Da wir und andere Camper uns und unsere Kleider ebenfalls im Fluss waschen (natürlich nur mit spezieller, biologisch abbaubarer Seife), sinkt die Wasserqualität im Verlaufe des Nachmittags noch mehr. Da wir die Kleider anschliessend über dem rauchenden Lagerfeuer trocknen und sie spätestens morgen auf dem Trail wieder verschwitzen, ist der Aufwand eher vergebens. Immerhin fühlen wir uns für eine kurze Zeit etwas besser.

Sauber geputzt und dargetan machen wir uns auf die Erkundung des Strandes. Lulu sammelt lustig geformte Holzstücke und Steine. Markus ist eher praktisch veranlagt und liest Angeschwemmtes und Verlorenes auf. Gestern hat er zum Beispiel ein Bandana (Kopftuch) und heute eine biologisch abbaubare Seife gefunden. Als hätten wir nicht schon genug Gepäck, schleppen wir all diese Sachen mit. So gleichen wir den Gewichtsverlust durch verzehrte Nahrung jeweils wieder aus ;-)

 

Yam Yam − Bei der Nahrungszusammenstellung haben wir im Vergleich zu unserer ersten Testexpedition auf den Napf in der Schweiz mächtig Vortschritte gemacht. Brot und Früchte lassen wir inzwischen Zuhause. Als Nachtessen haben wir ausschliesslich gefriergetrocknete Pastagerichte dabei. Zum Frühstück gibts mit Rosinen angereicherte Haferflocken mit Milchpulver. Als Snack zwischendurch haben wir Beef Jerkey, Peanut Butter (den man auf einer solchen Tour ohne schlechtes Gewissen herunterlöffeln darf ;-), Crackers, getrocknete Apfelringe, jede Menge Riegel (darunter natürlich auch Clif Bars ;-)... und als Spezialbelohnung ein Stück Emmentalerkäse dabei. Zum Trinken führen wir Teebeutel, Gatoradepulver und Tabletten zur Trinkwasserbehandlung mit. Die meisten Sachen haben wir von der Originalpackung entledigt und in ZipLocks abgefüllt. Das ist zwar teilweise (z.B. Peanut Butter) eine mittlere Sauerei aber dafür gewichts- und platzsparend. Unser Menüplan entspricht nicht gerade einer Gourmetküche, ist aber zweckmässig und versorgt uns mit der nötigen Energie. Trotzdem schielen wir manchmal etwas neidisch zu Patrizia und Marcus hinüber. Die beiden haben jede Menge Frischwaren und Backzutaten dabei und sind jeweils nicht zu faul, am Abend ihre eigenen Brötchen zu backen. Unser Neid vergeht jedoch schnell, wenn wir sie über ihr schweres Gepäck klagen hören ;-)

 

Lagerfeuerromantik − Der Abend am Walbran Creek ist total gemütlich. Daran ändern auch die aufziehenden, dunklen Wolken nichts, die auf Regen schliessen lassen und uns mit der Frage konfrontieren, ob wir in diesem Fall unser Zelt in genügendem Abstand zum Fluss aufgestellt haben. Zum Glück hat das Wetter ein weiteres Mal ein Einsehen und wir und unser Zelt bleiben trocken. Dass wir damit auf oben die gestellte Frage keine Antworterhalten, stört uns unter diesen Umständen wenig :-)

Martin, der im Besitz einer kleinen Säge ist, schneidet ein paar Holzstücke zurecht, welche Feuermasterin Connie zu einem Lagerfeuer auftürmt. Bis jetzt haben wir (Martin, Connie, Marcus, Patrizia, Markus und Lulu) trotz vorhandenem Brennholz das Nachtessen immer auf unseren Campingkochern zubereitet. Schliesslich wollen wir den Sprit nicht vergebens mitgeschleppt haben. Doch heute kochen wir alle über dem Feuer. Ist halt doch irgendwie schöner...

Nach dem Essen bleiben wir noch lange am Feuer sitzen und reden und lachen. Marcus unterhält uns mit seinen, in lustigem und gestenreichem Englisch vorgetragenen, Geschichten über das harte Leben von Pinguinvätern, von Bären die auf Tigerbalsam abfahren und einem eher unappetitlichen Nachtessen im Bett.

 

Strandspaziergang − Am vierten Tag der Wanderung spielen die Streckenführung und die Gezeiten zum ersten Mal so zusammen, dass wir einen Abschnitt am Strand entlang gehen können. Wir starten wie an den vorangegangenen Tagen um 8.30 Uhr, verlieren aber gleich unötig Zeit beim Furten des Walbran Creeks. Da wir nicht wissen, wie tief der Fluss ist, haben wir nicht die Wanderschuhe sondern die Sandalen resp. leichten Turnschuhe angezogen. Wir wollen so verhindern, die Wanderschuhe nass zu machen. Wie sich herausstellt, bestand dazu keine Gefahr. Der tiefe Wasserstand hätte eine Überquerung in Wanderschuhen ohne Probleme zugelassen. Und wir hätten uns am anderen Ufer erst noch das Trocknen der Füsse erspart.

Nach dieser Verzögerung geht es um neun Uhr endlich richtig los. Nach drei Tagen im Regenwald haben wir uns auf das Laufen am Strand gefreut. Wir stellen aber schnell fest, dass es nicht minder anstrengend ist. An vielen Stellen ist der Sand weich und man sinkt bei jedem Schritt tief ein. Lulu bückt sich ausserdem immer wieder nach Steinchen, Muscheln und anderen lustigen Schalen, die aussehen wie kleine Kürbisse. Manchmal gehen wir auch über Felsplatten, die die Ebbe freigegeben hat. Diese sind zwar extrem rutschig (nass und Algen) aber wenn man mal weiss, wo man seine Füsse hinsetzen muss, kommt man gut voran. Es ist ausserdem interessant, dem uns unbekannten Meeresgetier in den Tidepools zuzusehen.

 

Vereinte Kräfte − Im Gegensatz zu anderen Tagen, wo wir immer alleine unterwegs waren, gehen wir heute einen grossen Teil der Strecke zusammen mit Connie und Martin. Dies kommt uns allen bei der Überquerung des Carmanah Creek per Cable Car zu Gute. Mit vereinten Kräften gehtes wesentlich einfacher und schneller vonstatten. Ein weiteres Wanderduo erklimmt die Plattform zum Cable Car und wir helfen auch ihnen die Metallbox hinüberzuziehen. Der Bücherwurm und der Knirps, wie wir die beiden benannt haben, treffen wir jeweils am Abend auf dem Campsite. Trotzdem haben wir kaum Kontakt zu ihnen. Er ist immer in ein Buch vertieft und sie gesellt sich trotz ihrer etwas offeneren Art nie zu uns ans Lagerfeuer.

 

Money, Money − Von Carmanah Creek sind es noch zwei Kilometer bis zu «Chez Monique», einem kleinen Restaurant/Kiosk. Monique empfängt uns ziemlich harsch. Da wir die ersten Ankömmlinge aus Richtung Walbran sind, will sie wissen wieviele Leute sie heute von dort zu erwarten hat. Danach nimmt sie zackig unsere Bestellung auf. Die Preise sind horrend. Normalerweise würden wir über $9 für einen Burger plus je $1 für eine Scheibe Käse und Speck nur den Kopf schütteln. Nachdem wir uns aber in den letzten drei Tagen von entgegenkommenden Wanderern immer wieder Lobeshymnen auf diese Burger anhören mussten (einer hat uns sogar ein sorgfältig in Alufolie eingepacktes Exemplar gezeigt), können wir nun nicht wiederstehen. Nebst Burgern serviert Monique am Morgen ein sehr eihaltiges Frühstück. In ihrer Zelthütte verkauft sie ausserdem Süssigkeiten, Bier und für Gesundheitsbewusste Früchte. Ja, dieser Laden rentiert zweifelsohne...

Unsere hohen Erwartungen an die Burger werden nicht ganz erfüllt. Für unseren Geschmack sind sie etwas gar fettig. Nach einer Stunde machen begeben wir uns wieder auf den Weg. Beim Carmanah Leuchtturm müssen wir wegen der heranrollenden Flut auf den Waldweg ausweichen. Zumindest soweit, bis dass der Weg wegen eines Erdrutsches gesperrt ist. So gelangen wir wieder automatisch an den Strand. Zum Glück stellt auf dem folgenden Abschnitt die Flut kein Problem dar.

 

Cribs Creek − Wir erreichen Cribs Creek um 14.45 Uhr. Die elf Kilometer lange Tagesetappe haben wir also in 5 ¼ Stunde (exklusiv 1 Stunde bei Chez Monique) geschafft. Das Camp ist wunderschön gelegen und wir erleben einen weiteren gemütlichen Abend in der gewohnten Sechsergruppe. Zum Znacht kochen uns Connie und Martin ein thailändisches Menü, dass teilweise aus ihrem eigenen Vorrat und teils aus zurückgelassenen Nudelgerichten im Foodlocker besteht. Die Gespräche beim Essen und am Lagerfeuer sind immer sehr interessant. Wenn wir denn anderen zuhören, kann es aber auch mal vorkommen, dass wir uns dagegen ziemlich langweilig und banal vorkommen. So erzählt Martin zum Beispiel von seinen Wildwasser Kajaktouren und Campingausflügen bei Minustemperaturen. «Finögeli» Connie scheut sich dagegen weder vor schweren Arbeiten mit dem Presslufthammer noch davor in der Eishockeymontur aufs Eis zu gehen. Und Patrizia und Marcus haben sich dem Longboarden und jeglichen Wassersportarten wie Surfen, Kitesurfen und Wasserskifahren verschrieben.

Zum ersten Mal auf diesem Trek können wir einen vollen Sonnenuntergang mitverfolgen. Bei den bisherigen Campsites ist die Sonne jeweils früh von einem Felsvorsprung verdeckt worden. Doch heute haben wir freie Sicht. Wir klettern auf die Felsen in der Brandung, von wo aus wir die schöne Abendstimmung geniessen und der heranrollenden Flut zuschauen können. Ein unglaubliches Spektakel! Wollen wir nicht von den immer höher werdenden Wellen von den Felsen gefegt werden, ist es jetzt allerdings an der Zeit, sich zurückzuziehen. Das Rauschen der Wellen begleitet uns in den Schlaf.

 

Zuerst die Arbeit und dann das Vergnügen − Am fünften Tag erwartet uns mit 17 Kilometern die längste Tagesetappe. Sie führt von Cribs Creek zu den Tsusiat Falls. Wir verpassen am Morgen den Aufstieg auf das Felsband in der Brandung und sind daher gezwungen, die ersten Kilometer im Wald zu gehen. Der Pfad führt in schwindelerregender Höhe direkt am Abgrund der Küste entlang. Später kehren wir an den Strand zurück, nur um kurz darauf über Leitern wieder die Klippen hoch und runter zu steigen, um einen Surge Channel zu umgehen. Als Alternative hätten wir uns wie Martin und Connie samt Gepäck abseilen können, um das Hindernis zu überwinden. Da wir die Kletterei auf den Leitern inzwischen bestens gewohnt sind, entscheiden wir uns für die bewährte Variante.

Zurück am Strand kommen wir bei Kilometer 36 an einem verlassenen Indianer Fish Camp vorbei. Im Sand liegen ein paar Walfischknochen herum. Kurz darauf betreten wir nach der Brücke über einen Tidal River bereits zum dritten Mal auf dieser Wanderung Indianerreservatsgebiet, von wo aus esdurch den Regenwald weitergeht. Lange Boardwalks führen durch das Feuchtgebiet. Obwohl auf diesen Holzstegen das Gehen einfacher ist, haben wir das Gefühl, das nächste Kilometertäfelchen (33) nie zu erreichen. Die beiden nächsten Anzeigen für die Kilometer 32 und 31 folgen hingegen kurz nacheinander. Entweder hat uns unser Gefühl getäuscht oder dann wurde hier tatsächlich etwas verschoben.

Im selben Streckenabschnitt ist ein Teil des Holzstegs überflutet und zwingt uns zu einem unangenehmen Umweg durch den Sumpf. Dabei haben wir bereits geblaubt, das Gröbste an Hindernissen und Dreck nach den ersten drei Tagen hinter uns gelassen zu haben. Es ist allgemein bekannt, dass der Abschnitt von Port Renfrew bis nach Walbran Creek der schwierigste und anstrengendste Part des ganzen Hikes ist. Der zweite Teil vom Walbran Creek bis nach Pachena Bay führt vermehrt am Strand entlang und auch die Waldabschnitte sind hier weniger herausfordernd, da den Wanderer nicht mehr soviele Hindernisse und Sumpfpartien erwarten. Vor dem Start sollte man sich daher überlegen, wo man lieber anfangen möchte. Beginnt man im Norden (Pachena Bay), erwartet einem zuerst der einfachere Abschnitt, welcher es erlaubt sich langsam an das Gepäck und den Trail zu gewöhnen und den anspruchsvolleren Teil mit dem bereits etwas leichteren Rucksack anzugehen. Startet man wie wir im Süden (Port Renfrew), wird man gleich von Beginn weg gefordert, kann dann aber den zweiten Teil umso mehr geniessen.

Nach der kurzen Sumpftour erreichen wir wieder den Haupttrail und gelangen bald darauf zur Fähre, die uns über die Nitinat Narrows bringt. Die indianischen Betreiber wollen von allen das WCT-Permit sehen, bevor sie uns übersetzen. Die Nitinat Narrows liegen distanzmässig ziemlich genau in der Mitte des Trails. Wegen den obengenannten Gründen trifft dies allerdings nicht auf den zeitlichen Bedarf hin. Wir haben bis hierhin 4,5 Tage gebraucht. Für die zweiten 32,5 Kilometer rechnen wir mit 2,5 Tagen.

 

Tsusiat Falls − Leider sind wir wegen der Flut auch nach den Nitinat Narrows gezwungen, auf der Waldroute zu bleiben. Somit können wir nicht durch das Felsentor beim Tsusiat Point marschieren. Der hohe Wasserstand erlaubt es uns erst nach diesem natürlichen Kunstwerk, wieder an den Strand zurückzukehren. So bleibt uns einzig der Anblick von weitem.

Um das Camp bei den Tsusiat Falls hat es tausende von Möwen. Ihr Gezetter ist schon aus einiger Distanz hörbar. Nähert man sich den Vögeln, erheben sich alle gleichzeitig in die Luft und lassen den Himmel für einen kurzen Moment schwarz werden. Unser erster Eindruck vom, von anderen Wanderern hochgelobten, Campground bei den Tsusiat Falls ist nicht besonders gut. Zu viele Möwen und ein bestialischer Gestank, der von einem hier gestrandeten, toten Seelöwen herrührt, geben Minuspunkte. Auf der anderen Seite des Wasserfalls finden wir schliesslich doch noch einen schönen Tentspot in sicherer Distanz zum Seelöwen. Hier haben wir zudem das Plumpsklo und den Foodlocker in der Nähe, was das Leben bequemer macht. Im Abendlicht wirken auch die Tsusiat Falls plötzlich viel schöner und eindrücklicher. Der Wasserfall stürzt aus gut 10 m Höhe in einer Breite von etwa 12 m an den Strand hinunter. Auch an diesem Abend erleben wir einen traumhaften Sonnenuntergang und ein paar gemütliche Stunden am Lagerfeuer.

 

The world is held together by duct tape − Markus spürt wohl die Müdigkeit nach einem langen Marschtag (7 ¼ h). Beim Wasserholen rutscht er auf einem nassen Baumstamm aus und fällt hin. Zum Glück erleidet er nur ein paar geringfügige Kratzer. Diese werden ihn nicht daran hindern morgen weiterzuwandern. Genausowenig wie eine offene Stelle am Fuss, die er sich gestern eingefangen hat. Indem man Blattern mit Duct Tape (Klebeband) überklebt, vermeidet man Reibung und somit auch den Schmerz. Duct Tape ist wirklich überall einsetzbar und gehört darum auch bei einem Backcountry immer mit ins Gepäck!

Und weil Duct Tape so kultig ist, hier noch ein weiteres Statement zum Thema von Skip, den wir in Anchorage getroffen haben: «You know that you are in Alaska when you start fixing your car with duct tape» (Du weisst, dass du in Alaska bist, wenn du anfängst dein Auto mit Duct Tape zu flicken).

 

Wasserbett − Am nächsten Morgen schauen wir ziemlich verduzt auf die Linie zwischen nassem und trockenem Sand, die anzeigt wie weit das Wasser während der nächtlichen Flut gestiegen ist. Obwohl wir unser Zelt weit hinten am Strand aufgestellt haben, ist uns das Wasser sehr, sehr nahe gekommen. Einzig einem, vor unserem Zelt am Boden liegenden, Baumstamm verdanken wir, dass unsere «Betten» trocken geblieben sind. Im Nachbarszelt bekam die Koreanerin Connie eine Spezialität aus ihrem Heimatland frisch ins Vorzelt geliefert: Seegras ;-). Und bei Patrizia und Marcus hat ein Seeotter nächtlichen Besuch abgestattet und seine Fussabdrücke ebenfalls im Vorzelt hinterlassen. Mit einer so hohen Flut hätten wir alle nicht gerechnet. Aber es erklärt auch, warum wir in der Nacht das beruhigende Rauschen der Wellen so nah gehört haben. ;-)

 

Auf französisch ist alles etwas anders − Heute brechen wir um eine Viertelstunde später als üblich auf; nämlich um 8.45 Uhr. Zum Aufwärmen gibt’s gleich ein paar Leitern vom Strand zum Haupttrail hoch. Bis zum Klanawa River, den wir mit einem Cable Car überqueren, führt der Trail durch den Wald. Danach folgt bis Trestle Creek ein Abschnitt dem Strand entlang. Bevor es wieder in den Regenwald geht, stolpern wir über einen im Sand liegenden, alten und verrosteten Anker, der an eine der unzähligen Schiffskatastrophen erinnert. Im Wald passiert man eine weitere Donkey Engine und eine andere Maschine, die beim Bau des WCT eingesetzt wurden. Kurz darauf treffen wir ein entgegenkommendes Pärchen aus Quebec. Als wir unsere englische und ihre französische Streckenkarte vergleichen, fällt uns auf, dass sie nicht überall übereinstimmen.

 

Zeugen aus vergangener Zeit − Bei Kilometer 18 befinden sich die Valencia Bluffs, wo 1906 die S.S. Valencia sank, worauf der WCT errichtet wurde (s. unter Rückblende weiter oben). Etwas weiter kehren wir wieder an den Strand zurück und treffen dort auf die Überreste eines Schiffes, das ebenfalls Opfer eines Sturms geworden ist. Im Moment ist die See zum Glück ruhig und das Wetter schön. Wir geniessen das Wandern nochmals in vollen Zügen, wohlwissend, dass wir unserem Ziel in Pachena Bay immer näher kommen. Noch haben wir aber eine Nacht bei Michigan Creek vor uns. Wir erreichen das Camp wie schon gestern als Tagessieger (13 Kilometer in 5 ½ Stunden). Da wir so früh im Lager sind, kochen wir zum (verspäteten) Zmittag eine Suppe.

  

Deutsch-Schweizerische Gründlichkeit − Ein Deutscher und ein Schweizer, die heute in Pachena Bay gestartet sind, kommen am Camp vorbei. Wir merken bald, dass die beiden völlig unvorbereitet aufgebrochen sind. Sie fragen uns zum Beispiel, ob Gamaschen notwendig sind, ob wir etwas zur Trinkwasseraufbereitung mitgenommen haben und ob wir viele Surfer angetroffen haben (als würde jemand auf diesem Trail sein Surfbrett mitschleppen!)? Wir geben den beiden ein paar unserer Tabletten zur Wasserbehandlung mit. So müssen sie wenigstens nicht ihr ganzes Trinkwasser abkochen.

 

Orcas − Wir verbringen unseren letzten Abend auf dem West Coast Trail in der üblichen Gesellschaft von Connie, Martin, Patrizia und Marcus. Der krönende Abschluss bildet eine Killerwalfamilie, die nicht weit von der Küste entfernt an uns vorbeizieht. Was für ein unvergessliches Erlebnis!

Wir hocken bis spät in die Nacht ums Lagerfeuer herum, welches wie immer von Connie und Martin entfacht wurde. Später verabschieden wir uns von den beiden. Sie wollen morgen im Camp bleiben und relaxen und erst am Montag den Trail beenden.

 

Tierwelt − Am letzten Morgen müssen wir früh aufstehen, um rechtzeitig den Shuttle Bus am Trailhead zu erreichen. Er wird uns zurück nach Port Renfrew bringen. Im Dunkeln bauen wir das Zelt ab und packen zum letzten Mal unsere Sachen zusammen. Um 7.20 Uhr sind wir bereits unterwegs. Es ist ein wunderschöner Morgen. Der weisse Pachena Leuchturm mit dem roten Dach hebt sich vom stahlblauen Himmel ab. Kurz dahinter machen wir einen Abstecher zu einem Seelöwen Felsen. Dutzende dieser grunzenden Kolosse sonnen sich gleich gegenüber unseres Aussichtspunktes auf einem Felsen. Ein paar Mal sehen wir einen Wal (Grau- oder Buckelwal) auftauchen. Der WCT verwöhnt uns auch an unserem letzten Tag.

Patrizia und Marcus, die kurz nach uns aufgebrochen sind, holen uns beim Seelöwenfelsen ein. Sie erzählen, dass sie eben einen Schwarzbären am Wegrand passiert hätten. Erst im letzten Moment hat Marcus den gut getarnten Meister Petz entdeckt. Ob wir etwa am Bären vorbeigelatscht sind, ohne ihn zu bemerken?

  

Countdown − Der Weg durch den Regenwald bis zu Pachena Bay ist breit und absolut problemlos begehbar. Wir kommen flott voran und brauchen pro Kilometer etwa 20 Minuten. Wir erinnern uns an die ersten Tagen, wo wir für einen Kilometer noch 45 Minuten brauchten! Auf jedes Kilometertäfelchen «plangend» pushen wir uns vorwärts... 10, 9, 8,...

Als wir glauben, es bereits geschafft zu haben, kommt ein letzter Test. Weil der Haupttrail beschädigt ist, müssen wir auf einem Umweg nochmals ein grosses Leitersystem überwinden. Zum Glück haben wir etwas Reserve für die Abfahrtszeit des Busses eingerechnet ;-)

 

Am Ziel − Nach vier Stunden (total 38 ¾ h) laufen wir beim Trailhead ein. Wir haben’s geschafft. 75 anstrengende, erlebnisreiche und wunderschöne Kilometer liegen hinter uns. Das Gefühl, welches wir nun am Ende dieser Wanderung haben, ist fast nicht in Worte zu fassen. Freude und Stolz, dass wir uns durchgebissen haben; Traurigkeit, weil eine tolle Zeit vorbei ist und vor allem auch Dankbarkeit für alles was wir erleben durften. Nebst der Natur und der körperlichen Herausforderung waren es hauptsächlich die Leute und die gemütlichen und unterhaltsamen Abende rund ums Lagerfeuer, die unser WCT-Erlebnis zu dem machten was es war. Uns ist aber auch bewusst, wie glücklich wir mit dem Wetter waren. Kein Tropfen Regen während einer ganzen Woche. Das erleben wohl nur die wenigsten WCT-ler und wir wollen uns gar nicht erst ausmalen, wie der Trip bei Dauerregen wäre. Da haben wir unsere Regenjacke und unseren Ersatzkleidersatz gerne vergebens mitgetragen.

 

Happy Birthday − Im Registration Center melden wir uns bei der unfreundlichen und unmotivierten Angestellten, einer Native American, ab. Leider erlebt man diese Haltung bei Natives immer wieder, was dann leider zu Überlegungen wie «die hat ihren Job wohl nur erhalten, weil sie Native ist» führt (In Canada wird vorgeschrieben, dass eine gewisse Anzahl Jobs an Natives vergeben werden muss). Wortlos streckt sie uns die Diplome entgegen, die bezeugen, dass wir den WCT heute, am 18. September, vollendet haben. 18. September?! Ja genau, Markus feiert heute seinen Geburtstag!

Vor dem Registration Center auf den Bus wartend, essen wir fast alles von unserem überiggebliebenen Proviant auf. Dabei beobachten wir jene, die heute ihre Wanderung starten werden. Schmunzelnd erinnern wir uns an unsere eigene Unsicherheit und Nervosität vor einer Woche.

 

Sweet home − Im Bus verteilt uns der Busfahrer ein paar frische Fruchtschnitze. Hmm, das ist nach all dem gefriergetrockneten Zeugs der letzten Tage genau das Richtige. Die über dreistündige Busfahrt führt über holprige Forststrassen und wir sind alle froh, als wir endlich in Port Renfrew ankommen. Wir freuen uns Nanuq wieder zu sehen. Während den letzten sieben Tagen haben wir einige Male an ihn gedacht und ihn vermisst. Als wir ihn erblicken, fühlen wir uns, als ob wir nach einer Ferienreise nach Hause zurückkehren.

Wir laden Patrizia und Marcus aufs Dach unseres Land Rovers und fahren sie zu ihrem B&B. Rosie, die Besitzerin von «The Homestead», erlaubt uns die Dusche zu benutzen und für die Nacht auf ihrem Land zu parkieren. Eine Dusche haben wir alle dringend nötig... Was für ein herrliches Gefühl unter den warmen Strahl zu stehen!

 

It’s partytime − Zur Feier des Tages grillieren wir am Abend Hamburger über dem Feuer. Noch einmal kommt so ein wenig WCT-Stimmung auf. Wir verwöhnen uns ausserdem mit frischem Salat, Chips und Fruchtsalat. Und natürlich wird auch eine Flasche Wein geöffnet.

In der Nacht hören wir den Regen auf unser Autodach klatschen. Sofort denken wir an all die armen WCT-ler, die irgendwo in ihren Zelten liegen. Natürlich kommen uns auch Martin und Connie in den Sinn, die extra noch einen Tag angehängt haben, um den Strandzu geniessen. Regen in der letzten Nacht haben die beiden wirklich nicht verdient. (Wir erfahren später per e-mail, dass zwei Stunden nachdem wir vom Michigan Creek aufgebrochen sind, dichter Nebel aufgezogen sei und Martin und Connie dazu veranlasste, den Trail ebenfalls noch am selben Tag zu beenden. Leider hat es ihnen aber nicht mehr auf den Bus gereicht.)

 

Doch noch ein Verletzter − Nachdem wir ausgeschlafen haben, bereiten wir in Patrizia’s und Marcus’ Cabin ein ausgiebiges Frühstück zu. Nach einer Woche auf dem WCT ist es ungewohnt drinnen vor einer riesigen Auswahl an Müsli, Brot, Confi, Honig und Joghurt zu sitzen. Wir schätzen es umso mehr.

Nicht alle haben den West Coast Trail so gut überstanden wie wir. Unser sorgsam im Auto zurückgelassener Notebook will trotz mehreren Versuchen nicht mehr starten. Rosie und ihr Ehemann Brick empfehlen uns, bei ihrem Computerspezialisten vorbeizuschauen, sobald wir in Victoria sind. Rosie kündet Kelly unseren Besuch in seinem Shop schon mal telefonisch an.

  

Kein Bock − Brick, der als Pilot für Air Canada arbeitet, hat momentan Ferien und nimmt uns mit auf einen Elk Rundgang. Die grosse Hirschart ist häufig in der Nähe des Hauses anzutreffen. Mit einem Horn, das den Schrei einer geschlechtsreifen Hirschkuh imitiert, versucht er ein Männchen anzulocken. Am Montagmorgen scheinen diese allerdings andere Interessen zu haben. Weit und breit ist kein Hirsch in Sicht. Doch gerade als wir zum Haus zurückkehren wollen, entdeckt Marcus einen Hirsch, der schwimmend den Fluss überquert.

 

Fischfutter − Später nimmt uns Brick mit auf eine Fischtour auf dem Meer. Innerhalb von ein paar Minuten flitzen wir mit dem Motorboot am Trailhead und an Trasher Cove vorbei. Für diesen Abschnitt benötigten wir vor einer Woche zu Fuss 4 ¾ Stunden. Während sich Brick und Marcus um die Fischerrouten kümmern, kontrolliert Patrizia das Steuer. Lulu konzentriert sich währenddessen auf den Horizont. Doch es hilft nichts, das hin und her Schauckeln auf den hohen Wellen setzt ihr zu. Sie hofft, dass die Fische bald anbeissen und es wieder Richtung Land geht. Es dauert jedoch lange, bis endlich ein Coho (Silberlachs) an der Angel zappelt. Der zweite Fisch lässt nach Lulu’s unfreiwilliger Fütterung nicht mehr ganz so lange auf sich warten. Mit den zwei stattlichen Lachsen als Tagesbeute, geht es zu Lulu’s Erleichterung zurück nach Port Renfrew. Während Rosie den Fisch zum Nachtessen zubereitet, gehen wir (diesmal ohne Brick) nochmals auf Hirscherkundungstour. Ohne Horn aber trotzdem erfolgreich.

Das Nachtessen ist sehr lecker und vor allem auch sehr schön zubereitet. In einer so festlichen Atmospähre haben wir seit zu Hause nie mehr dinniert. Wie schon auf dem West Coast Trail unterhält uns Marcus mit seinen philosophischen Lebensansichten.

 

Mir si vo dr Füürwehr − Am Dienstag, 20. September verabschieden wir uns nach dem Frühstück von Marcus, Patrizia, Rosie und Brick. In Port Renfrew telefonieren wir nach Hause, um die Eltern zu beruhigen. Diese haben sich nämlich nach Erhalt unserer Kreditkartenabrechnung bereits Sorgen gemacht. Darauf war die Gebühr für den West Coast Trail witzigerweise unter Feuerwehrservice eingetragen. Als sie danach mehrere Tage lang nichts von uns hörten (um die Nerven unserer Mütter zu schonen, erzählen wir ihnen jeweils erst im Nachhinein von unseren Abenteuern), haben sie schon mit einem Autobrand gerechnet. Umso grösser ist jetzt ihre Erleichterung, ob der sie gar nicht mehr richtig wahrnehmen, was für eine anspruchsvolle Wanderung wir hinter uns gebracht haben.