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Vancouver

Quer durch − Zurück auf dem Festland fahren wir Richtung Vancouver. Wir hoffen, kurz vor der Stadt einen WalMart (oder ähnliches) zu finden, wo wir die Nacht verbringen können. Im Stossverkehr eingekeilt, finden wir uns jedoch plötzlich auf der Lion’s Gate Brücke wieder, die schnurstracks zum Stanley Park führt. Ein Blick auf die Karte zeigt, von hier an gibt es keine Ausweichmöglichkeiten mehr. Wir werden automatisch durch die ganze Downtown von Vancouver geschleust. Eingentlich genau das, was wir zu dieser Zeit verhindern wollten. Lulu gefällt es trotzdem. Sie versucht vom Beifahrersitz aus ein paar Fotos vom Verkehrschaos und den beleuchteten Hochhäusern zu machen. Markus hat für Sightseeing keine Zeit. Er muss sich voll und ganz auf den Verkehr und die Fussgänger konzentrieren. Wir folgen den Wegweisern zum Flughafen. Einerseits hoffen wir so schnellstmöglichst aus der Innenstadt herauszukommen, andernseits vermuten wir in der Nähe des Flughafens Shoppingcenters und Motels zu finden, wo wir für die Nacht parkieren können. Doch damit weit gefehlt. Der Flughafen befindet sich in der Nähe von Richmond, welches sich genau auf der anderen Seite der Stadt befindet. Und als wir nach einer Stunde Fahrt endlich die Umgebung des Flughafens erreichen, suchen wir vergeblich nach Motelketten. Die Gegend ist dunkel und verlassen. In einem McDonald’s, dem einzigen beleuchteten Gebäude weit und breit, sagt man uns, wo wir Motels und Läden finden würden. Die überwiegend asiatische Gegend hinterlässt bei uns aber einen eher zwiespältigen Eindruck. Wir fahren deshalb wieder zurück Richtung Vancouver, wo wir in einem Aussenquartier parkieren.

 

Nanuq, unser ein und alles − Am Dienstag, 27. September 2005 wollen wir Vancouver erkunden. Dem Reiseführer konnten wir entnehmen, dass Parkplätze in der Innenstadt limitiert und vor allem auch teuer sind. Wir beschliessen deshalb mit dem als Alternative empfohlenen Skytrain (überirdische U-Bahn) in die Stadt zu fahren. Zuerst brauchen wir jedoch eine halbe Ewigkeit, um im Morgenverkehr zu einer Skytrain Station zu gelangen und in deren Nähe einen Parkplatz zu finden. Sorgfältig mustern wir die Umgebung bevor wir Nanuq an einer Wohnstrasse abstellen. In grossen Städten sind wir sehr vorsichtig und wählerisch, wenn es darum geht Nanuq abzustellen. Alles was wir momentan besitzen, befindet sich in unserem Auto, was wegen der schweizerischen Nummernschildern und der Ausstattung des Autos (Reisemobil) auch sofort für jeden ersichtlich ist. Unsere Bedenken sind nicht ganz unbegründet. Ein Mann aus einem Vorort der Stadt erzählt uns später an diesem Tag, dass sich entlang der Skytrainlinie oft zwielichtige Gestalten aufhalten und es gelegentlich zu Autoeinbrüchen kommt. Zur Beruhigung nehmen wir’s vorweg: Nanuq bleibt zum Glück unberührt.

 

Daylong − Eine Schulklasse sorgt für einen erhöhten Lärmpegel im Skytrain. Die Lehrerin ruft die Kinder auf, bei der nächsten Haltestelle auszusteigen. Was bei uns ganz banal als Klasse 7C oder 5A bezeichnet würde, hört sich hier an wie aus der TV-Serie 24: «Division 17 get ready to leave!».

Wir fahren bis zur Endstation beim Canada Place, der mit seiner speziellen Dachkonstruktion an ein riesiges Segelschiff erinnert. Der Komplex wurde zur Expo’86 eingeweiht und beherbergt heute das Vancouver Convention & Exhibition Center, ein Luxushotel und das IMAX Kino. Auf der Längsseite des Canada Place machen die Kreuzfahrtschiffe fest. Mit unserem Skytraintagespass können wir gratis die Fähre nach Nord Vancouver benutzen. Auf der nur ein paar Minuten dauernden Überfahrt hat man einen tollen Blick auf die Skyline der Downtown. Um die Stadt auch aus der Vogelperspektive zu betrachten, besuchen wir später den Harbour Tower. Die Liftfahrt auf die Aussichtsetage des Turms kostet zwar $10, lohnt sich aber auf jeden Fall. Das Ticket erlaubt einem während dem ganzen Tag beliebig oft rauf und runter zu fahren. So können wir die Aussicht auf Gastown, Hafen, Canada Place und Wolkenkratzer nicht nur tagsüber sondern auch bei Nacht geniessen.

 

Gastown − Später erkunden wir zu Fuss Gastown, den ältesten Bezirk der Stadt (wobei zu beachten ist, dass ein Mitte des 19. Jahrhundert entstandener Stadtteil für amerikanische bzw. kanadische Verhältnisse bereits als sehr alt gilt!). 1867 herrschte dort, wo heute Vancouver steht, noch absolute Wildnis. Einzige Ausnahme bildete ein Sägewerk. Das Leben in diesem Werk war hart und Alkohol Mangelware. Solange zumindest bis John Deighton mit einem Fass Whiskey hier auftauchte. Er eröffnete einen Saloon, welcher sich an der Westküste schon bald zu dem Treffpunkt schlechthin entwickelte. Weil Deighton oft lang und grossmaulig redete, bekam er den Spitznamen Gassy Jack («schwätziger Jack»). Die Gegend um den Saloon wurde als «Gassy’s Town» bekannt, woraus später Gastown wurde.

In den 60er Jahren war der inzwischen verkommene Stadtteil zum Abbruch vorgesehen. Dank dem Einsatz engagierter Geschäftsleute, Grundstückbesitzer und Politikern, konnte der Abriss verhindert werden. 1972 wurde Gastown unter Denkmalschutz gestellt. Heute prägen liebevoll restaurierte, viktorianische Gebäude und ehemalige Lagerhäuser, die nun Restaurants, Bars, Kunstgalerien und Souvenirläden beherbergen, das Bild. Zu den Touristenattraktionen gehören die kopfsteingepflasterte Waterstreet mit ihren Gaslaternen, die Steam Clock (Dampfuhr), die jede volle Stunde melodisch pfeifend Dampf ablässt und eine Statue, die an Gassy Jack und sein Whiskeyfass erinnert.  

 

Chinatown − Auch das östlich von Gastown gelegene Chinatown gehört zu den älteren Quartieren der Stadt. Die ersten Chinesen kamen bereits zwischen 1858 und 1860 nach Westkanda, als im heutigen British Colombia Gold gefunden wurde. Während des Eisenbahnbaus in den 1880er Jahren wurden sie vorwiegend zum Gleisbau eingesetzt. Die meisten Überlebenden dieser harten Arbeit siedelten sich danach im Raum Vancouver an, wo sie allerdings kein gutes Ansehen genossen. Sie passten sich kaum vorherrschenden Normen und waren bereit, für äusserst wenig Geld zu arbeiten, was wiederholt zu Konflikten mit weissen Arbeitern führte. Bei den Weissen galt das chinesische Wohnviertel mit seinen Opiumhöhlen und Geheimgesellschaften als gefährlich und suspekt. Lange wurde den Chinesen die kanadische Staatsbürgerschaft verweigert, erst 1949 erhielten sie das Wahlrecht. Asiaten machen heute einen grossen Teil der Bevölkerung von Vancouver aus. Nur noch wenige von ihnen leben in der traditionellen Chinatown. Viele haben sich z.B. entlang der Skytrainlinie und in Richmond (s. weiter oben) angesiedelt. Bei unserem Besuch in der Chinatown macht das Viertel einen lebendigen und authentischen Eindruck. Vor den Läden werden in Kartonschachteln Gewürze, Knollen und getrocknete Algen und Fische angeboten. Da vieles nur in chinesischer Schrift angeschrieben ist, haben wir oft keine Ahnung, was es ist. Die Produkte sind uns eben so fremd wie ihre Düfte.

 

Doppelter Einsatz für Jack − Ein ganz anderes Shopping-Erlebnis bietet die Robson Street und ihre Umgebung. Hier reihen sich Restaurants, Coffeeshops und namhafte Boutiquen aneinander. Wir sind von Natur aus nicht die grossen Einkaufstiger, aber beim Angebot von «24 season two» und «24 season three» zusammen für $ 80 können wir nicht wiederstehen. Dieser Preis entspricht normalerweise dem einer einzelnen Staffel.

 

Bewährtes − Zum Znacht gibt’s wie in Victoria ein preiswertes Menü in der Spaghetti Factory. Später bringt uns der Skytrain zurück ins Aussenquartier, wo wir Nanuq abgestellt haben. Wir lassen ihn gleich an Ort und Stelle stehen und verkriechen uns schnurstracks in unsere Schlafsäcke.

 

Alles unter Kontrolle!? − Am nächsten Morgen wollen wir uns Granville Island ansehen. Diese liegt südlich der City unter der Granville Bridge auf einer künstlich aufgeschütteten Halbinsel. Was früher als Industriestandort genutzt wurde, ist heute ein trendiges Areal mit Restaurants, Shops, Ateliers, Gallerien und dem überdachten, farbenfrohen Public Market. Lulu sucht auf der Karte den besten Weg heraus. Zielsicher fährt Markus los, während Lulu laufend die Strassennummerierung mit jener auf der Karte vergleicht. Plötzlich enden wir in einer Sackgasse in einem Wohnquartier. Scharfsinnig bemerken wir, dass hier etwas nicht stimmen kann. Wir drehen um und werden erst recht stutzig, als die Downtown in nördlicher anstatt südlicher Richtung angeschrieben ist. Verwirrt halten wir an und studieren gemeinsam die Karte. Wir merken, dass die Strassennummerierung in beide Richtungen gleich verläuft... sprich wir sind genau um 180° in die falsche Richtung gefahren! Nach einer kurzen Neuorientieren, fahren wir wieder los und gelangen schliesslich zum Ziel.

 

Inflation − Von Granville Island aus fahren wir, wie am ersten Abend, quer durch die Stadt zum über 4 km² grossen Stanley Park. Auf einem kurzen Rundgang erkunden wir die Totempfähle, den Brockton Leuchtturm und das Aquarium. Wir verzichten auf dessen Besuch, informieren uns aber aus «Gwunder» nach den Eintrittspreisen. Wir staunen einmal mehr wie schnell die Eintrittspreise in die Höhe schnellen. Anhand der Preisangaben in unseren Reiseführern aus den Jahren 2003 und 2004 können wir ausrechnen, dass der Eintritt seither um 20% Prozent gestiegen ist. Dieser beträchtliche Anstieg ist uns im Verlaufe unserer Reise schon mehrmals aufgefallen, auch wenn von offizieller Seite eine solche Teuerung in Nordamerika nie bestätigt würde.

Über die Lion’s Gate Bridge verlassen wir die Stadt, die angeblich zu jenen mit der höchsten Lebensqualität gehört, auf dem gleichen Weg, wie wir sie erreicht haben.