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Rauch über Fairbanks

Akzent? − Am anderen Morgen lacht die Sonne wieder. Wir fahren auf dieser wunderschönen Strecke bis nach Paxson, wo wir auf den Richardson Highway Richtung Delta Junction einbiegen. Wir halten an einem See, worin sich besonders klar die umliegenden Berge spiegeln. Um Delta Junction herum kommt Rauch auf. Je mehr wir uns Fairbanks nähern, desto schlechter wird die Sicht und die Luft. Einziges Highlight auf dieser Strecke ist eine Elchkuh mit zwei Jungen, die ungestört am Strassenrand fressen.

Auch Fairbanks selbst ist in dichten Rauch gehüllt. Somit fällt unsere geplante dreitägige Wanderung über den Pinnell Mountain wohl ins Wasser. Im Visitor Center erkundigen wir uns deshalb über alternative Sehenswürdigkeiten und Aktivitäten in der Umgebung von Fairbanks. Wir möchten vom verschlafenen Angestellten auch wissen, wo es einen Safeway oder Fred Meyer gibt. «Yes, they both sell fish.» Und auf die Frage wo man in der Innenstadt Blockhäuser bewundern kann, antwortet er: «Oh yes, there are some souvenir shops around». Entweder ist unser Englisch so schlecht oder der gute Mann ist schwerhörig.

Bevor wir aber auf Einkaufstour gehen, bringen wir das Paket mit der defekten Kamera auf die Post. FedEx bräuchte drei Arbeitstage für die Auslieferung, mit der Post sind es drei bis fünf Tage. Wir schicken es daher mit der guten, alten Post (billiger als FedEx) und hoffen, dass diese nicht zu sehr schlampt.

 

Büchsenfutter − In Fairbanks findet momentan die Tanana Valley State Fair statt. Nach genauem Studium des Programms finden wir heraus, dass man heute gratis reinkommt, wenn man vier Büchsen mit Nahrung mitbringt. Sowas muss man uns natürlich nicht 2x sagen. Im Safeway suchen wir acht verschiedene Büchsen (Mais, Suppe, Chili, Bohnen, Erbsen,...) aus und begeben uns damit an die Kasse. Der Kunde vor uns in der Reihe meint nach einem kurzen Blick auf’s Förderband: «Aha, geht’s an die Fair?» Er hat vier Maisbüchsen auf dem Förderband :-). Die Nahrungsmittel werden an Bedürftige verteilt, was wir natürlich gerne unterstützen. Aber auch für uns geht die Rechnung auf, den wir sparen damit einen Eintritt. Der kostet nämlich$ 8 pro Person; gleich viel wie unsere acht Büchsen. Die Fair ist mit der BEA, LUGA oder der OLMA vergleichbar. Sie bietet den Besuchern Verkaufsstände, Tierausstellungen (Vieh, Pferd, Schwein, Schaf, Ziege, Hühner, Hasen und Meerschweinchen) Fressbuden, Unterhaltung und Rummelplatz. Wir schauen uns die verschiedenen Stände und Tiere an, amüsieren uns ab vorteilhaft gekleideten Leuten, geniessen mexikanisches Essen und sprechen mit einem sehr konservativ eingestellten Amerikaner. Das Ganze ist zwar nicht überwältigend, bietet aber doch eine gute Abwechslung zu unserem Reisealltag.

 

Hausarbeiten − Nach einer Nacht auf dem Fred Meyer Parkplatz erledigen wir in dessen Laden und im Safeway ein paar Einkäufe. So haben wir bis Whithorse wieder genug Esswaren an Bord und sind in den kleinen und teureren Orten dazwischen nur noch auf das Nötigste (z.B. Milch, Eis etc.) angewiesen. Vor einem Bücherladen fangen wir ein Internetsignal ab und schreiben ein paar E-Mails. Da wir wegen dem anhaltenden Rauch nicht sehr unternehmungslustig sind, misten wir ausserdem unsere Prospekt- und Flyersammlung aus.

 

Charakteren − Am frühen Abend fahren wir ins nahegelegene Ester. Dort suchen wir Kelly in seiner Sägerei auf. Er hat uns in Anchorage auf dem Barnes & Noble Parkplatz angesprochen und uns zu sich eingeladen. Auch wenn wir damals nur ein paar Minuten miteinander gesprochen haben, erkennt er uns sofort wieder und freut sich sichtlich über unseren Besuch. Bei Bier (Lulu ausgeschlossen) und Lachsstreifen gibt’s eine Menge zu plaudern. Markus, der mal in einer Sägerei gearbeitet hat, interessiert sich besonders für Kelly’s Arbeit. Er ist nicht nur als Säger tätig, sondern zimmert auch gleich noch eigene Blockhäuser. Im Moment arbeitet er an einem kleinen, herzigen Saunahäuschen. Man sieht sofort, dass jedes Detail fein ausgearbeitet ist. Später nimmt uns Kelly mit in die Golden Eagle Bar, wo wir unsere Burger auf einem Grill selbst zubereiten können. Hmm, lecker! Der Besuch der Bar lohnt sich aber nicht nur des Essens wegen, sondern auch wegen den anwesenden Gästen, welche ausschliesslich aus einheimischen Zwei- und Vierbeinern bestehen. Männer sind klar in der Überzahl, lange Haare und Bärte ein absolutes Muss. Besonders witzig finden wir das «grimassenschneidende Hinkebein», welches sich ab Touristen ärgert, die wegen eines Elches am Strassenrand anhalten (Sein Tipp: «Die sollen sich doch eine Postkarte kaufen!»). Ebenfalls zum Schmunzeln ist der gut gebaute Kerl, der seinen kleinen Puddel auf den Armen wiegt wie ein Baby. Der Abend mit dieser Truppe ist sehr unterhaltsam und wir müssen uns mehrmals die Bäuche halten vor Lachen über die wilden Stories, die hier die Runde machen. So hören wir von Lastwagen, die ungebremst durchs Dorf donnern und erfahren, dass es in der Gegend immerhin zwei Kreisel gibt. Bei einem davon handelt es sich um den Kreisverkehr in Dawson Creek gleich zu Beginn des Alaska Highways und damit über 2400 km von hier entfernt! Wir sind Kelly dankbar, dass er uns in dieses Lokal mitgenommen hat. Als normaler Tourist hätten wir es wohl nicht entdeckt oder uns vielleicht auch nicht getraut in diese eingeschworene Runde einzudringen.

 

Eiskalt − Wir dürfen auf Kelly’s Sägerei-Areal übernachten. Als er am nächsten Morgen zur Arbeit erscheint, plaudern wir noch eine Weile zusammen bevor wir uns provisorisch von ihm verabschieden, da wir noch nicht wissen, was wir heute unternehmen und wo wir die Nacht verbringen werden.

In Fairbanks statten wir dem Farmers Market und dem Creamer’s Field Migratory Waterfowl Refuge einen Besuch ab. Hier rasten tausende von Kanadagänsen, Sandhill Kranichen und weitere Zugvögel auf dem Weg in den Süden. Weiter fahren wir ins 57 Meilen entfernte Chena Hot Springs Resort. Dort kann man im warmen Bad relaxen, reiten, biken, Gold waschen etc. Alles natürlich nicht ganz billig, weshalb wir uns auf den Besuch des Eishotels beschränken. Zum Schutz vor der Wärme wird das Hotel im Sommer unter einer Kuppe gehalten. So ist der Anblick von aussen alles andere als spektakulär. Das Innenleben ist jedoch sehr eindrücklich. Die Schlafzimmer, die Bar, die Gläser, die Kronleuchter, die Hochzeitskapelle und das Schachspiel sind alle aus Eis geschnitzt. Eine Nacht im Eisbett kostet $ 400 pro Person! Die beiden asiatischen Führerinnen meinen denn auch, dass das Hotel nur selten Gäste hat. Für Hochzeiten ist der Ort aber durchaus beliebt. Wieder draussen an der Wärme entledigen wir uns schleunigst von den Mützen und den warmen Jacken.

 

Schweinerei − Auf dem Rückweg nach Fairbanks sehen wir zwei Elchkühe, die in einem See nach Algen «tauchen». Dabei lassen sie sich nicht von den gaffenden Touristen stören und kauen weiterhin genüsslich auf den Algen herum.

Ein paar Kilometer nördlich der Stadt gibt es einen Pipeline Viewpoint. (Im Bericht über Valdez haben wir bereits ausführlich über das Pipeline System von Prudhoe Bay nach Valdez berichtet.) Hier kann man die Pipeline anfassen und lernt etwas über deren Aufbau. Eindrücklich ist das ausgestellte Exemplar eines sogenannten Pig (Schwein). Diese riesigen Gebilde werden in die Pipeline eingeschleust und vom fliessenden Öl mit auf die Reise genommen. Dabei übernehmen sie Unterhalts- und Kontrollfunktionen. So gibt es zum Beispiel Pigs, deren Aufgabe es ist, die Pipeline zu reinigen und so einen ungestörten Fluss des Öls zu gewährleisten. Andere Pigs sind mit Magnetfeldern und Ultraschall ausgerüstet, um eventuelle Unregelmässigkeite in der Wanddicke oder Form der Pipeline festzustellen. Den Namen erhielten die Pigs aufgrund der quieckenden Töne, die sie auf ihrer Reise verursachen und die wohl an junge Schweinchen erinnern.

 

Dalton Highway − Würden wir nun noch weiter nordwärts fahren, kämen wir auf den Dalton Highway. Diese 670 Kilometer lange Schotterpiste führt der Pipeline entlang bis nach Deadhorse. Um ans Polarmeer oder zu den Ölfeldern rund um Prudhoe Bay zu gelangen, muss man die letzten Kilometer mit einer geführten Bustour unternehmen. Da wir vorgesehen haben in Canada den ähnlich langen und ebenfalls in den hohen Norden führenden Dempster Highway zu befahren, verzichten wir auf den Dalton. Wie wir von anderen Leuten gehört haben, die bis zum Arctic Circle gefahren sind, ist die Sicht entlang des Dalton Highways wegen der anhaltenden Waldbrände und dem damit verbundenen Rauch immer noch schlecht.

 

Wegen zu geschlossen − Anstatt nach Norden fahren wir zurück nach Ester. Uns wurde die Show im Saloon des Ester Gold Camps empfohlen. In einer Art Musical wird dabei mit vielWitz und Poesie die Geschichte des Goldrauschs erzählt. Obwohl uns der Ticketverkäufer versichert, dass es für uns kein Problem sein sollte, der Handlung zu folgen, sind wir skeptisch. Die vielen doppeldeutigen Ausdrücke machen englische Witze für uns nicht immer leicht verständlich. Erschwerend hinzu kommt, dass das Ganze gesanglich vorgetragen wird. Da greifen wir lieber auf Altbewährtes zurück und besuchen nochmals den Golden Eagle. Leider ist heute nicht viel Betrieb in der Bar. Irgendwo findet scheinbar noch eine Party statt. Nun, wir lassen uns den Burger trotzdem schmecken und greifen zum Cue und spielen eine Runde Billard. Die Nacht verbringen wir noch einmal bei Kelly’s Sägerei.

Da Kelly am Sonntag nicht arbeitet, können wir uns leider nicht mehr von ihm verabschieden. Auf dem Weg in die Stadt (Fairbanks) fahren wir bei der Large Animal Research Station der Universität vorbei. Hier kann man auf einer geführten Tour Moschusochsen und Renntiere beobachten. Wem dies wie uns zu teuer ist, muss sich mit einem einzelnen Moschusochsen im Eingangsbereich zufrieden geben. Der Pioneer Park, welcher als nächstes auf unserem Programm steht, ist dagegen gratis (nur einzelne Attraktionen innerhalb des Parks sind kostenpflichtig). Im Park kann man in verschiedene Themenwelten eintauchen und so z.B. das Leben in einem Indianer- oder einem Minendorf nachvollziehen. Zu besichtigen sind ausserdem ein Raddampfer und der Eisenbahnwagon des ehemaligen US Präsidenten Harding. Wir sind von dem Dargebotenen entäuscht. Viele der Attraktionen sind wegen Restauration oder sonstigen unersichtlichen Gründen geschlossen. Soviel zu Alaska’s biggest Attraction, wie sich der Pioneer Park auf Werbeflyern selbst lobt. Egal ob am höchsten, ältesten, bekanntesten oder besten; in den USA ist alles superlativ. Wir schenken diesen Werbeslogans schon lange keine Beachtung mehr, höchstens noch ein müdes Lächeln.